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10 Freiwillige weltweit. Täglich neue Eindrücke und Erlebnisse. Kleine und große Herausforderungen. Erfahrungen für das ganze Leben – all das ist das Ökumenische FreiwilligenProgramm der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS)

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Meine älteste Gastschwester Marie und ich nach dem Gottesdienst (Foto: EMS/Körner)
Meine älteste Gastschwester Marie und ich nach dem Gottesdienst (Foto: EMS/Körner)
01. Juli 2019

Interview mit meiner Gastschwester

Johanna

Johanna

Kamerun
arbeitet in einem Krankenhaus und einer Schule mit
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Hallo,

Lena (in Südafrika) hat ein Interview geschrieben mit dem Ziel, Vorurteile über Afrika aufzudecken. In den deutschen Medien ist das von Afrika gezeichnete Bild oft sehr einseitig und in Wirklichkeit steckt so viel mehr dahinter. Deshalb hat Lena das Interview an Freiwillige in ganz Afrika weitergegeben um dadurch ein besseres Bild von der tatsächlichen Vielfalt zu bekommen. Wir versuchen auf diese Art und Weise Vorurteile aufzudecken, allerdings ohne dabei Schwierigkeiten zu verschleiern. Wenn ihr also noch mehr Interviews auch aus anderen Ländern lesen wollt, könnt ihr mal bei Lenas Blog schauen, dort sind noch weitere Links.

Ich habe das Interview mit meiner ältesten Gastschwester Marie gemacht. Manche Fragen habe ich aber ein bisschen verändert. Marie hat für zwei Jahre bei meinen Gasteltern gewohnt, weil sie die Tochter von Freunden meines Gastvaters ist. Bis letztes Jahr hat sie ihre Ausbildung als Friseuse fertig gemacht und dieses Jahr war sie hauptsächlich für das Kochen hier zu Hause verantwortlich. Sie ist Anfang Zwanzig. Ich habe die Fragen aufgenommen und weil es ihr unangenehm wäre, dass jemand ihre genauen Antworten liest oder hört habe ich es direkt ins Deutsche übersetzt. Deshalb habe ich auch nicht alles wortwörtlich übersetzt, sondern vieles nur sinngemäß. Wenn etwas wörtlich ist, ist es kursiv. Viel Spaß beim Lesen!

 

Ich: Hast du genug Wasser zur Verfügung, hier zu Hause?

Marie: Jetzt im Moment haben wir hier fließendes Wasser. In der Trockenzeit gibt es nicht so viel Wasser, weil Brunnen und Seen austrocknen. Aber jetzt im Mai gibt es viel Wasser, weil es regnet. Wir können das Regenwasser auffangen und der Wasserhahn läuft.

Ich: Gibt es in Kamerun allgemein genug Wasser?

Marie: Ja, auf jeden Fall. Wir haben das Meer, Seen, Brunnen. Es gibt genug Wasser, wir haben keinen Wassermangel.

Ich: Hungerst du?

Marie: NO!?! No, no, no, no, no, no! We’re not suffering of hunger here.

Ich: Kannst du dich ausgewogen ernähren?

Marie: Man kann sich ausgewogen ernähren, wir haben zum Beispiel Bohnen, Fleisch, Fisch

Ich: Gemüse…

Marie: Ja, wir haben viel Gemüse. Wir haben Green, wir haben Huckleberry, wir haben Erru, wir haben bitter leave. Allgemein gibt es hier viel Gemüse.

Ich: Gibt es Menschen in deinem Umfeld, die hungern?

Marie: Teilweise würde ich sagen ja, teilweise nein. Manche von uns haben nicht genug Geld um Sachen zu essen auf dem Markt zu kaufen. Manche müssen erst selbst auf dem Markt verkaufen bevor sie Geld haben einzukaufen, um zu kochen. Wenn ich kein Geld habe, ist es sehr schwer genug Essen zu bekommen. Aber zum Beispiel Ma Esaw (meine Gastmutter) hat sehr viel Geld. Sie muss sich keine Sorgen machen Essen zu bekommen. Sie geht einfach auf den Markt und kauft ein. Aber unsere Nachbarn hier können es vielleicht nicht, weil sie nicht das Geld haben. Sie müssen erst auf das Gehalt warten.

Ich: Gibt es gefährliche Krankheiten? Sind Leute in deinem Umfeld mit einer gefährlichen Krankheit infiziert?

Marie: Es gibt zum Beispiel HIV…

Ich: Kennst du jemanden, der HIV hat?

Marie: Nein, ich kenne nicht wirklich jemanden, der HIV hat… Eine Person.

Ich: Fühlst du dich sicher, wenn du abends ausgehst?

Marie: Wenn du ausgehen willst, sei vor allem vorsichtig. Und wenn du es machst, dann geh nicht alleine oder nur mit Mädchen. Schaut, dass auch Jungen dabei sind, sodass ihr sicher seid.

Ich: Wurdest du oder ein/e Freund/in jemals ausgeraubt oder verletzt oder hast eine andere gefährliche Situation erlebt?

Marie: Ja, ich wurde einmal ausgeraubt. In Douala, mit meinem Onkel. Mein Onkel hat eine Kirche und eine Schule und er hatte das Gehalt für die Lehrer zu Hause. Wir wissen nicht, wie sie rausgefunden haben, dass mein Onkel das Geld geholt hatte, aber sie sind abends zu uns nach Hause gekommen und haben uns gefesselt bis mein Onkel ihnen gesagt hat, wo das Geld ist. Sie haben das Geld genommen und sind gegangen.

Ich: Welche Sprachen sprichst du?

Marie: Ich spreche die Sprache meiner Mutter, ich spreche die Sprache meines Vaters. Abgesehen davon spreche ich Französisch, ich spreche Englisch und ich spreche Pidgin.

Ich: Kannst du einen normalen Tag in deinem Leben beschreiben? Was du während einem typischen Tag machst?

Marie: An einem typischen Tag sagt mir Ma Esaw, was ich vorbereiten soll. Zum Beispiel bin ich zu Hause und koche Bohnen mit Reis. Das ist ein Tag zu Hause bei mir.

Ich: Worüber redest du mit Freunden?

Marie: Wir reden über das soziale Leben. Zum Beispiel, wenn jemand einen Jungen datet, reden wir darüber, was man machen muss, um nicht schwanger zu werden und so.

Ich: Was ist dein Lieblingsessen?

Marie: Mein Lieblingsessen ist Waterfufu und Erru.

Ich: Was ist deine Lieblingsmusik?

Marie: Gospelmusik

Ich: Was ist dein Lieblingsfilm?

Marie: Nigerianische Filme und ich schaue diese philippinischen Serien.

Ich: Welcher Feiertag ist für dich am wichtigsten?

Marie: Weihnachten und Silvester. Es gibt viel Essen und es gibt auch davor schon viele Feiern, wie Hochzeiten oder Geburtstage.

Ich: Wie feierst du Weihnachten?

Marie: An Weihnachten gehen wir abends in die Kirche. Und an Silvester bleiben wir in meiner Gemeinde die ganze Nacht in der Kirche. Das wird cross over night genannt.

Ich: Was würdest du Menschen in Deutschland gerne wissen lassen?

Marie: I would just like to tell people in Germany that they should love God, they should show love for each one, they should show love when one African girl like me comes there, they should take me as we take you people… Wenn ein afrikanisches Mädchen euch sieht, mag sie euch sehr gerne. Aber wenn ein afrikanisches Mädchen in ein Land wie Deutschland kommt, wird sie vielleicht gar nicht beachtet. Das machen wir in Afrika nicht so.

Ich: Was weißt und was denkst du über Deutschland?

Marie: Was ich über Deutschland weiß… Ich weiß, dass Deutsche Geld haben, Deutsche haben viele Sachen, viele gute Sachen. Ich liebe Deutschland, weil es dort viel Geld gibt. Manche Deutsche sind sehr gute Menschen.

Ich: Was wünscht du dir für deine Zukunft?

Marie: Ich wünsche mir einen Mann, der hart arbeitet. Wenn ich und mein Mann hart arbeiten können wir eine gute Zukunft haben.

Ich: Danke!

 

Wenn ihr noch Fragen habt, die euch interessieren würden, dürft ihr es gerne in die Kommentare schreiben, dann frage ich nach.

Ich hoffe das Interview hat euch ein bisschen einen Einblick in das Leben und die Ansichten meiner Gastschwester gegeben.

Viele Grüße, Johanna

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Water Fufu... (Foto: EMS/Körner)
Water Fufu... (Foto: EMS/Körner)
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... und Eru. Maries Lieblingsessen und ein traditionelles Essen (Foto: EMS/Körner)
... und Eru. Maries Lieblingsessen und ein traditionelles Essen (Foto: EMS/Körner)