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Ostereier suchen und bemalen mit den Internatskindern (Foto: EMS/Taut)
Ostereier suchen und bemalen mit den Internatskindern (Foto: EMS/Taut)
08. Mai 2025

Über Datteln und Ostereier

Carolin

Carolin

Jordanien
Internat
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Ramadan und Osterzeit in Jordanien

Theodor-Schneller-School Amman, 26. März, 18:16.

Mit kräftigen Bürstenstrichen und bunten Haargummis bändigt die Erzieherin das frisch gewaschene, krause Haar der Erstklässlerin. Wir sitzen im Treppenhaus. Um uns herum Gerüste und ein wenig Bauschutt der Renovierungsarbeiten im Internatsgebäude. Angenehm warmer Wind zieht herein, weil an der großen Fensterfront noch keine neuen Scheiben eingesetzt sind. Wir lauschen der arabischen Musik, die ich zwar immer noch kaum verstehe, aber inzwischen lieben gelernt habe.

Die letzten Monate ist eine ganze Menge passiert, sodass simple Momente mit den Kindern im Internat, wie der beschriebene, fast schon eine Besonderheit sind. Normalerweise ist morgens Zeit für den Arabischunterricht, Besuche innerhalb des Geländes (beispielsweise im Kindergarten oder bei der Bäckereiausbildungsstätte) oder zum Ausschlafen. Ab dem Mittagessen bin ich dann im Internat bei der Mädchengruppe. Wir essen, lernen und spielen gemeinsam, bis die Kinder abends ins Bett gehen.

Nach den Winterferien zog der Internatsbetrieb in den frisch renovierten Teil des Gebäudes. Die anfangs noch etwas leeren Räume werden jetzt Stück für Stück weiter eingerichtet. Es wurden schon Vorhänge und Spiegel ergänzt, sodass die Atmosphäre jetzt Stück für Stück wohnlicher wird. Ende Februar ging es für uns Freiwillige dann zum Zwischenseminar. Mit nur fünf Teilnehmerinnen und Lisa als Seminarleitung, die selbst vor ein paar Jahren Freiwillige an der Schneller-Schule war, hatten wir ein kleines, aber auch besonderes Seminar. So verbrachten wir die bisher kälteste Woche des Jahres (bis zu –7 °C nachts) in einem Ferienhaus mit unglaublicher Aussicht auf einem Hügel im Norden des Landes. Direkt im Anschluss hatte ich Besuch von meiner Familie. Eine wunderschöne Woche, in der wir das Land mit dem Mietauto bereisten. Auch für mich war es das erste Mal in Petra, dem wohl berühmtesten Touristenort Jordaniens, eine antike Nabatäer-Stadt mit beeindruckenden, in die Sandsteinfelsen gehauenen Fassaden. Auffällig ist, dass auch an solchen, sehr bekannten Plätzen, nur wenige Touristen unterwegs sind. Locals meinen, das liege vor allem an den Konflikten in den Nachbarländern, aber die Lage in Jordanien ist aktuell stabil und das Land wunderschön – also kommt gerne vorbei!

Außer meiner Familie war auch unser Vorfreiwilliger Edgar für sechs Wochen zu Besuch. Er unternahm mit meiner Mitfreiwilligen Ailu und mir kleinere Ausflüge, um uns seine Lieblingsorte zu zeigen, wir schauten Filme und unterhielten uns abends stundenlang am Küchentisch. Uns wurde nie langweilig. Anfang März begann auch der muslimische Fastenmonat Ramadan. Dann verzichten Muslime jeden Tag von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang auf Essen und Trinken. Auch Rauchen, Kaugummi kauen und Zähneputzen sind nicht erlaubt – es darf nichts in den Mund. Außerdem ist es eine Zeit des Gebets, der guten Taten und der Besinnung auf den Glauben. Weil ca. 97 % der jordanischen Bevölkerung Muslime sind, machte sich das auch im Alltag bemerkbar. Tagsüber war es auf den Straßen ruhiger, Läden öffneten erst später oder erst am Abend. Aus Respekt gegenüber den Fastenden darf nicht in der Öffentlichkeit gegessen und getrunken werden. Kurz vor Sonnenuntergang wurde der Verkehr dann richtig wild, weil logischerweise jeder pünktlich zum Fastenbrechen (إفطار „Iftar“) zu Hause sein wollte. Danach war auch in Restaurants, die über den Tag geschlossen waren, und in der Innenstadt viel los. Von einer netten Dame aus dem Nachbarviertel wurden Ailu und ich auch einmal zum Iftar eingeladen. In diesem Fall war Edgar explizit ausgeladen, weil sonst nur Frauen dabei waren. Wenn keine Männer da sind, die nicht zur Familie gehören, tragen Muslimas zuhause kein Kopftuch. In diesem Fall war es also ein Mädelsabend – oft essen Männer und Frauen aber auch gemeinsam. Traditionell wird das Fasten mit Wasser und Datteln gebrochen, danach gibt es oft Reis, Hühnchen, Salat und arabische Spezialitäten aller Art, dazu verschiedene Säfte. Nach dem Essen saßen wir gemeinsam im Wohnzimmer und unterhielten uns – erst bei Tee und Nachtisch, dann bei Kaffee und Süßigkeiten, während nebenher der Fernseher lief. Auch im Internat machte sich der Ramadan bemerkbar: Manche Kinder entschieden sich, über den Monat zu Hause zu sein und zur Schule zu pendeln, entsprechend war alles ein bisschen ruhiger. Jede Woche gab es einmal gemeinsames Abendessen draußen mit allen Gruppen und Musik. Die anfangs beschriebene Situation entstand kurz vor so einem gemeinsamen Iftar, am letzten Abend vor den Ferien. Das Fest des Fastenbrechens (عيد الفطر „Eid al-Fitr“), auch als Zuckerfest bekannt, dauert drei Tage, und eben anlässlich dessen war eine Woche lang schulfrei. Über die Ferien war niemand mehr außer uns auf dem Gelände. Eigentlich wollten Ailu, Edgar und ich über diese Zeit auch wegfahren, aber über die Feiertage fahren weniger Busse – deshalb machten wir uns in Amman eine schöne Zeit, besuchten die Freiwilligen in der Nachbarstadt Salt und wurden von der Familie eines Schülers zum Essen eingeladen. Es gab Mansaf, das jordanische Nationalgericht, bestehend aus Reis, Lammfleisch und einer speziellen, etwas säuerlichen Käsesoße.

Fast parallel zum Ramadan begann auch die christliche Fastenzeit, in der sich viele Christen 40 Tage lang vegan oder zumindest vegetarisch ernähren. Die Frage „Fastest du heute?“ wurde zu einer gängigen Gesprächseröffnung, auch weil manche jüngeren muslimischen Kinder nur an einzelnen Tagen fasteten. Unter den Christen fasteten manche immer, andere immer außer sonntags und wieder andere gar nicht – je nach Konfession. Dass ich zwar nicht fastete, aber trotzdem kein Fleisch esse, weil ich Vegetarierin bin, machte die Sache nicht gerade unkomplizierter. Auch anlässlich der Osterzeit gab es besondere Aktionen im Internat. An einem Nachmittag suchten alle Gruppen gemeinsam Ostereier auf dem Spielplatz. Die Besonderheit: Es waren hartgekochte weiße Eier, die erst danach gemeinsam mit Wasserfarben bemalt wurden. Es ist schön, wie Religion an der Schneller-Schule geteilt wird und man Feste gemeinsam feiert. Gar nicht so schlecht, zu muslimischen und christlichen Feiertagen schulfrei zu haben. Über Ostern hatte Ailu Familienbesuch. Um nicht allein auf dem großen Schulgelände zu sein, besuchte ich Dana, die Erzieherin der Mädchengruppe, und ihre Familie in ihrer Heimatstadt Kerak für drei Tage. Sie sind Christen und nahmen mich mit in die Ostermesse. Abends besuchte ich mit Dana verschiedene Freunde und Verwandte in der Nachbarschaft. Überall wurde eine kleine Tasse Kaffee getrunken und „Frohe Ostern“ gewünscht, und dann ging es auch schon weiter zum nächsten Haus. Es war sehr spannend, so viele jordanische Wohnungen von innen zu sehen und Menschen kennenzulernen. Dana selbst ist erst 24 und hat zwei ältere und drei jüngere Geschwister, wobei der jüngste Bruder so alt ist wie ich. Mein absolutes Highlight waren die Rundfahrten, die wir gemeinsam abends im Auto durch die Stadt machten – mit lauter Musik, schwungvollem Fahrstil und guter Laune durch beleuchtete Stadtviertel oder über dunkle Feldwege. Ich hatte eine Menge Spaß.

Jetzt genieße ich die letzte Zeit mit den Kindern. In letzter Zeit helfe ich auch ab und zu in der etwas chaotischeren Jungsgruppe aus, und ich weiß, dass ich die Kinder vermissen werde. Insbesondere die Mädchen sind mir sehr ans Herz gewachsen. Wir spielen gemeinsam Uno Flip, basteln, lernen, tanzen und schauen selten auch mal einen Animationsfilm. Immer wieder freue ich mich, wenn ich sie für Dinge, die ich selbst als Kind mochte, begeistern kann und dadurch nostalgische Momente erlebe. Seit ein paar Wochen singe ich ihnen auch jeden Tag ein Gutenachtlied vor – oft etwas Bekanntes aus meiner Kindheit wie „Der Mond ist aufgegangen“, aber am liebsten ein Stück aus meiner Gesangsklassenzeit: „The Seal Lullaby“ von Eric Whitacre (wunderschönes Lied – Grüße an meine Musiklehrer).

Zu meiner großen Freude frühlingt es hier sehr. Leider scheinbar nicht wie in den Vorjahren, dazu fehlt der Regen, aber es ist schon deutlich grüner als letzten Sommer. Das gute Wetter und die erwachende Natur heben die Stimmung – und so vergeht die Zeit. Ich kann kaum fassen, dass es nur noch drei Monate sind. Persönlich beschäftigt mich gerade vor allem die Frage, was nach meiner Rückkehr passiert und wie sich mein Sommer gestaltet. Ich lasse es euch hier wissen, sobald ich zu einem Schluss gekommen bin – aber vielleicht melde ich mich auch schon vorher nochmal.

Liebste Grüße
Caro

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Mittagessen in der Mädchenfamilie (Foto: EMS/Taut)
Mittagessen in der Mädchenfamilie (Foto: EMS/Taut)
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Mit meiner Familie vor dem "Schatzhaus des Pharaos" in Petra (EMS/Taut)
Mit meiner Familie vor dem "Schatzhaus des Pharaos" in Petra (EMS/Taut)

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