info_outline
Essen zum Fastenbrechen (Foto: EMS/Uhle)
Essen zum Fastenbrechen (Foto: EMS/Uhle)
20. April 2024

Mein Ramadan Tagebuch Teil 2

Amadea

Amadea

Jordanien
Internat
zur Übersichtsseite

Die Fortsetzung meines Ramadan-Tagebuches…

Tag 8 in Ramadan

Liebes Ramadan-Tagebuch,

über eine Woche schon verzichte ich auf Essen und Trinken zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang. Ich muss sagen, es hat sich ein ganz klarer Tagesablauf eingespielt. Der Körper hat sich schon richtig an die klar gesetzten Zeiten von Essen und Trinken gewöhnt. Auch Fußballspielen mit den Jungs, ohne Wasser zu trinken, funktioniert. Danach sehne ich mich zwar um so mehr nach Wasser, aber es ist aushaltbar.

Meinen Sport mache ich entweder nach dem Iftar/Ftoor oder kurz zuvor. Bis jetzt habe ich während des Tages, wenn dann, nur leichten Sport getrieben: Nichts wirklich Anstrengendes oder Belastendes. Insgesamt merke ich aber schon, wie die Energie mancher Kinder gesunken ist. Es gibt weniger Gerenne, aktives Spielen und mehr Handy- und Chillzeit. Normalerweise sind in meiner Jungenfamilie Handys verboten. Die ganze Internatswoche. Zuhause anrufen können sie über die Handys der Erzieherinnen und Erzieher. Doch gerade während der Ramadanzeit dürfen die Jungs am Handy spielen oder eine TV-/YouTube-Show schauen. Sie haben weniger Hausaufgaben auf und im Moment ist auch keine Testphase. Das bedeutet aber auch, dass ich deutlich weniger zu tun habe, wenn sie nicht lernen müssen und sich dann mit Handys selbst beschäftigen.

Immer wieder schön ist dann aber das gemeinsame Fastenbrechen mit den Kindern am Abend. Ich freue mich dann so richtig auf das Essen. Ein Timer läuft die letzten Minuten immer mit und ganz kurz vor dem Fastenbrechen hören die Kinder auf den Muezzin durchs Fenster. Dann wird mit einer Dattel das Fastenbrechen eingeleitet.

 

Tag 9 in Ramadan

Heute ist für die Christen in Jordanien Aschermittwoch. Das Fasten hat nun auch für sie begonnen. Für uns. Wie ich beides vereinen soll, weiß ich ehrlich gesagt noch nicht – das Ramadan-Fasten und das Fasten der Christen. Für die strengeren Christen heißt das Fasten hier: nur eine richtige Mahlzeit am Tag und zwei Kleine, die nicht so groß sein sollen wie die eine richtige Mahlzeit zusammen. Und das Ganze auch noch vegan. Viele der christlichen Kinder allerdings verzichten nur auf Fleisch oder fasten auch gar nicht. Trinken können sie ganz normal. In Deutschland habe ich eigentlich jedes Jahr auf irgendetwas verzichtet (Zucker, Fleisch) oder es mir zumindest vorgenommen. Ich glaube nur nicht, dass ich den ganzen Tag nichts essen kann und dann auch noch darauf achten möchte, dass alles vegan ist. Damit habe ich aber das Gefühl, dass ich es damit manchen Christinnen und Christen nicht recht machen kann. Ich denke fast, sie erwarten es von mir, wo ich sogar das Ramadan-Fasten mitmache, um auch die christliche Fastenzeit durchzuziehen.

Es ist spannend, wie sich die beiden Fastenzeiten jetzt überschneiden. Wenn das Fastenbrechen der Muslime am Abend ist, heißt das nicht, dass auch alle der Christen dann viel oder überhaupt etwas essen. Das Fasten der beiden so unterschiedlichen Religionen überschneidet sich zwar in der Zeit, läuft aber doch so unterschiedlich ab. Dieses Jahr schummle ich mich ein bisschen durch die christliche Fastenzeit und sage, dass ich wenigstens auf Fleisch verzichte. Ich glaube aber, dass mittlerweile fast alle wissen, dass ich sowieso vegetarisch bin. Deshalb bin ich wahrscheinlich schon längst aufgeflogen.

 

Tag 12 In Ramadan

Meine Mitfreiwillige und ich sind gerade erst wieder nach Hause in unsere WG gekommen. Es ist knapp 21 Uhr. Auf dem Rückweg von einem spontanen Ausflug nach IKEA war auf den Straßen in Downtown und in Marka so einiges los. Nach dem Iftar (Fastenbrechen) sind die Straßen gefühlt noch gefüllter als an normalen Wochenendtagen. Am Vormittag hingegen ist meist weniger Betrieb als außerhalb von Ramadan. Dann, zur Zeit des Fastenbrechens am Abend, fährt kein einziger Bus mehr und man kann auf den Straßen von Marka bis zu uns nach Hause laufen. Nachdem alle das Fasten gebrochen haben, wird die Stadt wieder erneut zu Leben erweckt. Die Abendluft wird durch Lichter erleuchtet und mit Menschenstimmen und Gelächter gefüllt. Diese sehr fröhliche, lockere Stimmung hält bis tief in die Nacht an.

Weil wir wussten, dass wir gegen Iftar-Zeit schwer nach Hause kommen, sind wir über das Fastenbrechen im IKEA geblieben. Dort wird während Ramadan das Restaurant zu einem riesigen Buffet eröffnet. Alle noch verbliebenen Menschen im IKEA strömten kurz vor Iftar hinein, holten ihr Essen und warteten. Sie warteten auf die zweite Wiederholung eines Wortes oder Satzteils (ich habe bis jetzt noch nicht herausgefunden, worauf man genau hören muss) im Gebetsruf des Muezzins. Ist dieser erklungen fingen auf einmal alle Menschen um einen herum an zu essen. Und wir auch, und zwar mitten drin. Das war ein großartiges Gefühl. Auf einmal waren wir ein Teil eines großen Ganzen.

 

Tag 13 in Ramadan

Heute stand das große gemeinsame Boarding-House/die Institution Theodor-Schneller-Iftar an. Sogar die Schülerinnen und Schüler, welche die Ramadan-Zeit nicht im Internat, sondern zu Hause verbringen, kamen für das gemeinsame Fastenbrechen. Die Aula der Schule wurde mit langen Tafeln, Geschenken, einer Leinwand und einem Rednerpult hergerichtet. Außer den Internatskindern und den Erzieherinnen und Erziehern waren der Bürgermeister des Gouvernements Zarqas eine Menge Helfer einer Organisation (die zu Ramadan viele Dienste leistet), der Referent der Schüler und Familienmitglieder sowie Familien mit Kindern mit Trisomy 21 anwesend. Später kamen sogar noch Vertreter der Polizei. Es wurde nicht wie vermutet eine kleine interne Festlichkeit des Internates. Damit lag der Fokus auch leider zu wenig auf dem Zusammensein, sondern viel mehr darauf, die Schule und das Internat zu vermarkten. Die Kinder des Internates hatten sich herausgeputzt. Kurz vor dem Beginn der Veranstaltung um 17 Uhr mussten die kleineren Jungs ihre Schuhe putzen. Geordnet wurde die Veranstaltung betreten. Doch bevor es endlich anfing, vergingen viele Minuten, indem alle ein wenig hungrig und hippeliger wurden. Die Veranstaltung begann mit einer Reihe von Reden und einem kleinen Film über die Institution Theodor-Schneller. Dann wurde noch kurz ein Foto mit allen Internatskindern gemacht und dann war es endlich soweit – 18.57. Die Zeit des heutigen Fastenbrechens. Und dann wurde sich nur auf das Essen konzentriert. Es gab eine Menge Datteln, Salat, Falafel-Sandwich oder Schawama mit Pommes und vielerlei verschiedene Getränke.

Nach dem gemeinsamen Essen haben viele der muslimischen Kinder das Gelände auch wieder verlassen und sind zurück zu sich nach Hause gegangen. Was vielleicht auch noch spannend zu erwähnen wäre, ist, dass an dem heutigen Abend Christen und Muslime gemeinsam das Iftar gefeiert haben. Und das, obwohl die Institution Schneller eigentlich christliche Strukturen zumindest in all den Leitungspositionen hat. Und damit ein muslimisches Fastenbrechen für die Theodor-Schneller-Institution nicht erwartet wird. Dennoch wird hiermit eben auf die vermehrten muslimischen Kinder im Internat Rücksicht genommen.

Insgesamt war es aber mal wieder ein spannendes Erlebnis in Schneller. Besonders gefreut habe ich mich über das Wiedersehen mit den Internatskindern, die seit knapp zwei Wochen nicht im Internat leben. Und es ist im Grunde eine schöne Idee, alle zusammen – Christen und Muslime – ein Fastenbrechen während Ramadan feiern zu lassen.

 

Tag 14 in Ramadan

Heute ist mein letzter Fastentag. Nein, ich werde es nicht bis zum Fastenende durchziehen. Aber nicht aus gesundheitlichen oder aus reinen „keine Lust mehr“-Gründen. Ganz schlicht und einfach kommt mich meine Familie heute Abend besuchen. Und ich habe von vornherein gesagt, dass ich aus praktischen Gründen das Fasten aussetzen werde. (Leider) bleiben sie bis zwei Tage vor Fastenende, sodass ich nicht glaube, danach noch einmal mit dem Fasten anzufangen und alles erneut umzustellen. Das wäre nicht gut für meinen Körper. Ich dachte, wenn meine Familie kommt, ist durch Ramadan das normale Leben generell schon eingeschränkt. Da muss sich meine Familie nicht auch noch nach mir richten. Heute habe ich also alles noch einmal bewusst erlebt und zelebriert. Das Suhor und das Iftar/Ftoor (dann schon mit meiner Familie). Jetzt ist das Nicht-Trinken oder Essen überhaupt kein Problem mehr für mich und das Leben ist eben in mancher Hinsicht dadurch ein wenig eingeschränkt. Aber das gehört irgendwie mit dazu. Und ich bin froh und stolz, das miterlebt zu haben.

 

Tag 15 in Ramadan

Mein erster Tag nach 2 Wochen des extremen Fastens wieder mit einem ganz normalen Tagesablauf: Frühstück um 9.30 Uhr und über den Tag hin verteilt immer mal wieder Snacks. Das Umgewöhnen war für mich oder meinen Körper gar kein großes Problem. Er hat sich sofort zurückerinnert an die alten Ess- und Trinkgewohnheiten. Was aber deutlich schwieriger war, war das Leben für einen oder eine nicht fastende Person im öffentlichen Leben. Also für meine Familie und mich. Denn unser Tag mit vollem Touristenprogramm war heute an sich sehr schön, aber durch Ramadan bedingte Einschränkungen auch irgendwie wirklich nervig. Es gab keine Cafés, die offen hatten. Wir sind in irgendeine Straße gelaufen, um einen kleinen Schluck Wasser zu trinken, ohne dass uns jemand sieht. Auch die Sightseeingsachen haben alle schon früher geschlossen, sodass wir heute zwischen den Schließzeiten der Sehenswürdigkeiten und dem Iftar eine lange Zeit hatten, in der wir nicht wirklich etwas anderes machen konnten außer Laufen. Und dann waren wir von den vielen Besichtigungen in Amman so hungrig und durstig. Wir haben lange gesucht, bis wir ein kleines offenes Café gefunden haben. So gesehen ist es für nicht fastende Menschen noch eingeschränkter, da sie ja weiterhin an den normalen Tagesablauf gewöhnt sind.

Knapp 2 Wochen wird Ramadan noch gehen. Das ist doch noch eine lange Zeit, in der das Leben hier etwas anders ist…

 

Eid- Feiertage

Die Eid- Feiertage habe ich in Irbid bei einer weiteren Freiwilligen in der Einsatzstelle Irbid verbracht. So wirklich viel habe ich von dem Fest, auch Zuckerfest genannt, nicht mitbekommen. Es sind 3 Feiertage, die alle öffentlichen und meist auch privaten Einrichtungen in Jordanien frei machen. Im Islam ist das Zuckerfest eines der höchsten Feste im islamischen Glauben. An dem ersten Feiertag hatte auch in der Stadt Irbid nichts offen. Ich denke, ähnlich wird das überall in Jordanien so gewesen sein. Was man gesehen hatte, waren schick gekleidete Familien, die wie wir zu Ostern kleine Spaziergänge zusammen machten. Am ersten Tag habe ich gehört, dass die innere Familie zusammen in eine Moschee beten geht und daraufhin Besuche bei Verwandten auf dem Plan stehen. An diesen Tagen wird viel Süßes gegessen und Geschenke gemacht. Heute meistens in Form von Geld. Es heißt, das Beschenken von Armen ist ein Bestandteil des islamischen Glaubens. Demnach schenken viele Muslime auch Bedürftigen etwas zu den Eid-Feiertagen. Nach den Feiertagen haben die Kinder mir ganz stolz erzählt, wie viel Geld sie bekommen haben.

Wie ich im ersten Teil meines Ramadan-Tagebuches bereits erwähnt habe, wird regional entschieden, wann der Fastenmonat Ramadan beginnt und demnach auch wann er endet. Das Ende Ramadans wurde über eine Live-Ansprache am 09.04.2024 über Internet/TV veröffentlicht. Wir alle haben wie gebannt auf diesen einen Bildschirm im Restaurant geschaut und gewartet, wann das Ende des Ramadans ausgerufen wird. Während des Live-Streams wurde gesagt, man könne die Sichel des Mondes zurzeit nicht sehen. Wir erinnern uns, dass der Beginn und das Ende vom Mond abhängen. „Das Datum richtet sich nach dem islamischen Mondkalender. Der Beginn des Ramadans orientiert sich danach, wann nach einem Leermond erstmals die Sichel des Neumondes am Himmel zu sehen ist. Er endet wieder mit dem nächsten Leermond.“ Auch wenn die Sichel nicht erkennbar war, wurde der 10.04.2024 als erster Eid-Feiertag festgemacht.

 

Nach Ramadan

Ramadan ist nun vorbei. Ein bisschen freue ich mich auch darüber, dass das normale Leben wieder beginnen kann. Es war trotzdem eine ganz großartige und wertvolle Erfahrung. Ich bin glücklich, mich dafür entschieden zu haben, das Fasten mitzumachen und auszuprobieren. Bevor ich nach Jordanien kam, wusste ich zwar im Groben, was Ramadan ist. Ich wusste aber nicht, wann und wie der Ramadan abläuft, geschweige denn, wie es sich anfühlt, mitzufasten.

Um ehrlich zu sein, habe ich trotzdem während der knapp drei Wochen des Fastens keine merkbar positiven körperlichen Erfahrungen gemacht. Der Körper hat eher mit diesen doch enormen Veränderungen kämpfen müssen. Ich meine, was es für langzeitliche positive Effekte auf meinen Körper hat, das kann ich jedenfalls jetzt noch nicht sagen.

Noch immer muss ich zweimal überlegen, ob ich jetzt einfach im Bus oder auf der Straße Wasser trinken darf oder nicht. Es fühlt sich irgendwie immer noch ein bisschen verboten an. Auch diese Umgewöhnung zurück zum ehemaligen Normalen wird seine Zeit brauchen. Und worüber ich sehr glücklich bin, ist, dass ich mich nicht mehr jeden Morgen um 4:30 Uhr aus dem Bett kämpfen muss, um mich davon zu überzeugen, einen Liter Flüssigkeit und Nahrung zu mir zu nehmen. Jetzt kann ich endlich wieder die Nächte ganz durchschlafen, und das habe ich sehr vermisst.

Ihr Lieben, ich hoffe, ihr habt jetzt einen kleinen Einblick in mein Leben während des Ramadans bekommen. Sowohl als Person, die mitfastet, als auch aus der Perspektive einer außenstehenden Person. Es war mir eine Freude, euch auf meiner Reise hier mitzunehmen. Lauft mit offenen Augen durchs Leben und habt keine Angst vor etwas Neuem oder vor etwas, was ihr nicht kennt. Und ich weiß, dass sich zum Beispiel jeder Muslim darüber gefreut hat, wenn ich ein bisschen Ahnung von dem für sie heiligen Monat Ramadan hatte.

 Bleibt behütet,

مع السلامة

info_outline
Eine Moschee und eine Kirche, die sich eine gemeinsame Wand teilen; Irbid. (Foto: EMS/Uhle)
Eine Moschee und eine Kirche, die sich eine gemeinsame Wand teilen; Irbid. (Foto: EMS/Uhle)
info_outline
Großes Fastenbrechen im Internat (Foto: EMS/Uhle)
Großes Fastenbrechen im Internat (Foto: EMS/Uhle)

Kommentare

Kommentar schreiben