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10 Freiwillige weltweit. Täglich neue Eindrücke und Erlebnisse. Kleine und große Herausforderungen. Erfahrungen für das ganze Leben – all das ist das Ökumenische FreiwilligenProgramm der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS)

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"Malam kudus" auf einer Weihnachtsfeier (Foto: Thiel/EMS)
"Malam kudus" auf einer Weihnachtsfeier (Foto: Thiel/EMS)
11. Januar 2019

Von einer anderen Weihnachtszeit

Merle

Merle

Indonesien
unterstützt eine Einrichtung für Kinder mit Behinderung
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Selamat Natal dan Selamat Tahun baru! Fröhliche Weihnachten und ein frohes neues Jahr!

Ich weiß, dass liegt jetzt alles schon eine Weile zurück, doch da hier vereinzelt noch immer Weihnachtsfeiern abgehalten werden, dachte ich, ein Bericht von meiner Weihnachtszeit kommt gerade noch rechtzeitig.

Aber beginnen wir von vorne.

Als man uns beim Vorbereitungsseminar im Sommer anhand einer Kurve aufzeigte, dass der Freiwilligendienst meistens aus Ups and Downs besteht, die natürlich bei jedem variieren, konnte ich mir einen Tiefpunkt dieses möglichen Verlaufs besonders gut vorstellen: Die Weihnachtszeit.

Weihnachten habe ich bisher immer mit Temperaturen verbunden, die den Kamin zu deinem Lieblingsort machen, manchmal sogar Schnee, Zeit mit der Familie, leckerem Weihnachtsessen… 

In diesem Jahr war das ein bisschen anders, die Kälte wich der Wärme, Schnee war jetzt in verflüssigter und wärmerer Form aufzufinden und anstatt Zeit mit der Familie zu verbringen, verbrachte ich Zeit mit Menschen, die mir vor einigen Monaten noch fremd waren, doch die ich mittlerweile nicht missen möchte.

Das erste Mal hörte ich das Wort „Natal“ (= Weihnachten) im Oktober, bei einem Meeting im RBM. Ich fragte mich nur irritiert, was jetzt schon zu planen sein, doch zu diesem Zeitpunkt waren die vielen, teils auch sehr großen Weihnachtsfeiern nicht absehbar. 

Dass die Weihnachtszeit hier mit unzähligen Weihnachtsfeiern verbunden ist, die größtenteils alle sehr ähnlich ablaufen, lernte ich jedoch sehr schnell. Zuerst wird ein Ibada (=Gottesdienst) gefeiert, der oft länger als 1,5 Stunden dauert und an welchen sich meist Reden anschließen. Danach werden manchmal kleine Geschenke verlost und nicht zu vergessen ist das gemeinsame Essen zum Abschluss. Mein persönlicher Lieblingsteil der Feiern war der Gesang im Ibada, denn besonders wenn alle „Malam Kudus“ (= Stille Nacht) sangen und jeder eine Kerze anzündete, wurde es ein bisschen weihnachtlich.

Es wurden nicht nur viele Weihnachtsfeiern im Panti gefeiert, sondern wir wurden auch einige Male zu Weihnachtsfeiern außerhalb des Pantis eingeladen. Hierfür studierten die Kinder ein Mashup aus verschieden Weihnachtsliedern ein, was wirklich schön klang. Ein Ausschnitt davon ist auf der Facebookseite des ÖFP zusehen, denn alle ÖFP-Freiwilligen haben etwas aus ihrer Weihnachtszeit festgehalten und Jule hat dann alles zu einem kleinem Video zusammengeschnitten.

Eine der größten Weihnachtsfeiern war die des RBM, meiner Einsatzstelle. Tags zuvor waren die Mitarbeiter damit beschäftigt, alle Vorbereitungen zu treffen, das Meeting im Oktober war also eher zur groben Planung ;) Es wurden riesige Zelte aufgebaut, 2 Schweine geschlachtet, gekocht, der Gesang geprobt und dekoriert, womit Ibu Anna und ich den gesamten Tag beschäftigt waren.

Zu der Weihnachtsfeier am nächsten Tag waren neben Schülern und Mitarbeitern des RBM auch Familienangehörige und Unterstützer eingeladen. Den Morgen über waren meine Kolleginnen damit beschäftigt, sich aufwendig zu schminken, während die Kinder draußen zusammen spielten und die Gäste sich bei Kopi (= Kaffee) unterhielten. Dann feierten wir den Ibada, der von Reden, Chorgesängen, persönlichen Anekdoten und traditionellen Tänzen aufgebrochen wurde. Zu dem anschließenden Essen wurden dann unter anderem auch die 2 Schweine vom Vortag serviert. 

Mit der Weihnachtsfeier begannen gleichzeitig auch die vierwöchigen Weihnachtsferien und zu Beginn wusste ich nicht so recht, ob ich verreisen soll, doch da die Kinder im Panti erst kurz vor Weihnachten zu ihren Familien zurückkehrten, entschied ich mich, erst einmal in Rantepao zu bleiben. In der Zeit bastelten wir einige Male zusammen, unter anderem Weihnachtsengel, was aufregender war als gedacht, denn die Nadeln die wir dafür brauchten, trafen des Öfteren verschiedenste Finger und nicht die Öffnung der Perlen und auch konnte ich mich nicht zerteilen, was für viel Ungeduld sorgte. ;) 

Auch hörten und sangen wir viele Weihnachtslieder und die Kinder brachten mir indonesische Weihnachtslieder bei, die den deutschen bis auf den Text gleichen. An einem Nachmittag lackierten sich die Mädchen die Fingernägel in weihnachtlichen Farben und wir hörten zusammen indonesische, englische und deutsche Weihnachtslieder und erzählten, einer meiner Lieblingsmomente im Panti.

Auch mit Stephanie, der holländischen Frau, verbrachte ich einige Nachmittage bei Gesprächen und Tee oder Kaffee. Da wir beide ein wenig das weihnachtliche Gebäck vermissten, machte sie holländische Waffeln und ich Kokosmakronen, die wir bei Kerzenschein und Bratapfeltee genossen, also schon ein bisschen weihnachtlich. 

Als die Kinder dann einige Tage vor Weihnachten alle Examen geschrieben hatten, konnte ich endlich mein Weihnachtsgeschenk einlösen: Wir fuhren alle zusammen zu einem Hotelpool, wo wir den Nachmittag verbrachten. Trotz Nieselregen und Kälte waren die Kinder kaum zu bremsen und kosteten die Zeit wirklich aus. Erst im Swimmingpool erkannte ich dann, dass nur wenige Kinder schwimmen können und so versuchte ich mit den Kindern auf dem Rücken zu schwimmen (und dabei selber nicht unterzugehen) und ihnen ein bisschen zu zeigen, wie ich Schwimmen gelernt habe. Zum Abschluss picknickten wir noch zusammen dort, bevor wir dann alle auf der Ladefläche eines Autos zurückfuhren, ein wirklich schöner Nachmittag.

Am nächsten Abend stieg ich dann in den Nachtbus, denn meine erste kleine und auch sehr spontane Reise stand bevor und sie sollte nach Bira, ganz in den Süden von Sulawesi gehen. 

Der Nachtbus nach Makassar war der komfortabelste Bus, mit dem ich je gereist bin, doch schlafen konnte ich nicht wirklich, denn ein bisschen aufgeregt war ich schon und mir fielen einige Dinge ein, die ich vergessen hatte. Am nächsten Morgen um 4.30 Uhr hielt der Bus dann an einer Garage, wo ich vermeintlich hätte aussteigen sollen, doch dort war es noch stockfinster und menschenleer. Glücklicherweise wurde Ibu Elisabeth, eine ältere Dame aus meinem Bus, auf mein Problem aufmerksam und lud mich zu sich nach Hause ein. Dort erzählten wir dann bei Kaffee und Keksen, bis später am Morgen die ersten öffentlichen Autos von Makassar nach Bira abfuhren. 

Auch die Weiterreise war nicht weniger aufregend, denn die öffentlichen Autos nach Bira fahren erst ab, wenn sie voll sind und halten unterwegs immer mal wieder an, um noch weitere Personen mitzunehmen oder abzusetzen. So lustig und schräg die Autofahrt auch war, als ich 6 Stunden später in Bira ankam, war ich glücklich und auch ein bisschen stolz, heil und mit meinem Gepäck angekommen zu sein.

Bira ist ein kleiner Ort direkt am Meer gelegen und teilt sich in verschiedene Strände auf und an einem wohnte ich für 4 Tage lang in einer kleinen Hütte mit Hängematte. Sonne, Meer, Schnorcheln, Lesen, Musik, leckeres Essen und Zeit für mich bestimmten meine Tage in Bira. Nach 3 Monaten in Rantepao, wo mich Kinder und ein ständiger Geräuschpegel umgaben, war die Stille und Einsamkeit in Bira ungewohnt und schön zugleich.

Ein Highlight war der Schnorchelausflug zu einer kleinen Insel, welche direkt vor Bira liegt.

Ein Tauchlehrer, den ich in einem kleinen Warung (=Imbiss) kennenlernte, lud mich und 2 andere Deutsche ein, doch da ich (noch) nicht tauchen kann, schnorchelte ich während die anderen tauchten. Dabei sah ich nicht nur viele bunte Fische, sondern auch 2 Jungs aus Bira, die mit Harpunen unter Wasser Fische jagten, wirklich spannend.

Bira ist wirklich paradiesisch schön (und kaum touristisch), doch ich freute mich auch wahnsinnig, pünktlich zum Weihnachtsfest wieder nach Hause zukommen.

Zurück im Panti waren die meisten Kinder schon bei ihren Familien und so war es auch hier ungewöhnlich still.

Am 23. Dezember besuchte Jokowi, der indonesische Präsident, Makale und die ganze Stadt war in Aufruhr. Ibu Elis und ich wagten uns trotzdessen in die Innenstadt und kamen nach großem Verkehrschaos gerade noch rechtzeitig, um einen Blick auf Jokowi, beziehungsweise dessen Hand zu werfen, denn er saß schon im Auto auf dem Weg zurück in sein Hotel.

Einen Tag später fuhren auch die letzten Kinder zurück zu ihren Familien und einzig Ibu Elis, ihre 3 Töchter und ich blieben zurück. Ich besorgte tagsüber die letzten Geschenke, was ähnlich wie in Deutschland keine gute Idee war und verbrachte den Abend des 24. Dezember mit Stephanie und ihrer Familie. Wir gingen zusammen in die Kirche und der Gesang des Chores erinnerte mich an die Weihnachtsgottesdienste in meiner Kirche in Deutschland, denn es waren die gleichen Melodien und ich wurde für einen kurzen Moment melancholisch. Doch nachdem wir zusammen Pizza machten, war die Stimmung schon ausgelassener und wir ließen den Abend bei netten Gesprächen auf der Terrasse ausklingen und beobachteten dabei das Feuerwerk. Schon während des gesamten Dezembers war fast jeden Abend Feuerwerk zusehen, doch das Feuerwerk an Heiligabend ähnelte Silvester, was einwenig seltsam war.

Am eigentlichen Weihnachtsfeiertag, dem 25. Dezember frühstückte ich morgens zusammen mit Ibu Elis und ihren Töchtern im Panti Kue (=Kuchen) , bevor ich dann mit Stephanie und ihren Kindern zu Freunden nach Makale, die Hauptstadt Tana Torajas, fuhr. Dort aßen wir zusammen zu Mittag, erzählten viel und schauten Weihnachtsfilme, also ein entspannter aber witziger Tag. 

Viele Familien gehen am Morgen des 25. Dezember in die Kirche und essen danach zusammen und dann ist das eigentliche Weihnachtsfest vorbei, was mir persönlich bei bei all dem Aufwand und der Vorfreude viel zu kurz vorkam. Hinzu kommt vielleicht auch, dass viele Geschäfte in Rantepao über Weihnachten geöffnet haben und die Stadt unglaublich voll und belebt war, denn viele Menschen die ursprünglich aus Toraja kommen, aber auf anderen Inseln arbeiten, kehrten für die Ferien zurück .

Der Brauch vom Weihnachtsmann und Beschenken gehört hier traditionell nicht zum Weihnachtsfest, doch in den letzten Jahren wurde er von einigen Familien übernommen. Zu Beginn fand ich ein Weihnachten ohne Geschenke und Weihnachtsmann, gerade für Kinder, ungewohnt, doch ich habe das Gefühl, dass hier wirklich noch Jesus Geburt zum Anlass des Weihnachtsfestes genommen wird, wohingegen in vielen westlichen Ländern Weihnachten eher einem Konsumrausch gleicht.

Meine Weihnachtszeit hier war abwechslungsreich, aufregend, lustig, sonnig, aber für mich persönlich nicht wirklich weihnachtlich. Zum Glück erinnerten mich die auffällige Weihnachtsdekoration und Plakate mit Bildern von grinsenden Personen (aus Politik, Wirtschaft etc.), welche einem „Selamat Natal“ wünschen immer wieder an das bevorstehende Weihnachtsfest. ;) Wenn ich schon von der Dekoration berichte, möchte ich die Gelegenheit nutzen und Euch mein liebstes Weihnachtsdekoobjekt vorstellen: Ein Weihnachtsbaum, den die Kinder aus Zeitungen gebastelt haben und das Highlight daran ist die Lichterkette, die nicht nur auffällig in allen Farben blinkt, sondern dazu auch noch singt. Der Baum steht übrigens immer noch! :)

Doch auch wenn ich nicht in Weihnachtsstimmung gekommen bin, hat mir die Weihnachtszeit hier gefallen, denn es wurde viel Zeit miteinander verbracht und ich hatte keinen wirklichen Weihnachtstrubel, wie ich es aus Deutschland kenne, sondern konnte meine Zeit für viele schöne Dinge nutzen, ganz ohne Stress. 

Am 6. Januar kehrten die Kinder zurück ins Panti und ich freute ich mich sehr, alle wiederzusehen und nun ist es auch endlich wieder lebhafter und aufregender im Panti !

Neben dem Kindern im Panti fehlte mir auch die Arbeit im RBM und ich kann mir nicht vorstellen mich in 2 Monaten wirklich von all dem verabschieden zu müssen…

Ich hoffe Ihr konntet einen kleinen Einblick in meine etwas andere Weihnachtszeit erhalten.

Bis bald, Merle

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Bira (Foto: EMS/Thiel)
Bira (Foto: EMS/Thiel)
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Beim Schwimmen mit den Kindern (Foto: EMS/Thiel)
Beim Schwimmen mit den Kindern (Foto: EMS/Thiel)