Weltweit erlebt
14 Freiwillige weltweit. Täglich neue Eindrücke und Erlebnisse. Kleine und große Herausforderungen. Erfahrungen für das ganze Leben – all das ist das Ökumenische FreiwilligenProgramm der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS)
In den langen Sommerferien waren Paula und ich unterwegs, quer durch Indien, im Hochsommer. Wir haben viel gesehen und erlebt und ich hab neue Perspektiven dazugewonnen. Vor allem blicke ich jetzt jedoch ganz anders auf meine indische Heimat Kerala. Die ersten Male, die ich aus Kerala rausgekommen bin waren, als alle Volunteers sich in Mysore, einer Stadt in Karnataka, und einige Monate später in Goa, im Urlaubs- und Partystaat Indiens trafen. Da in Mysore sehr angenehmes, gemäßigtes Klima herrscht und außerdem sehr schön und aufgeräumt ist, und Goa Kerala von der Landschaft her sowieso sehr ähnelt, vielen mir noch keine krassen Unterschiede auf, da ich auch immer in der Nacht durchs Land reiste. Doch als ich dann mit Johanna an ihre Stelle kam, eine Kleinstadt im nördlichen Karnataka, kam dann der Schock: hier sah es komplett anders aus als ich es gewohnt war. Nirgends waren Bäume oder Palmen zu sehen, nur plattes Land und hin und wieder mal ein Dorf mit kleinen, einfachen Häusern mit Flachdächern. Der Unterschied zu Kerala war so drastisch, obwohl wir uns lediglich im Nachbarbundesstaat befanden. Was man zu Kerala wissen muss: Es ist ein sehr kleines Bundesland, das, eingezwängt zwischen dem arabischen Meer im Westen und den Nilgiris, einem Bergzug im Osten, eine einzigartige Landschaft vorzuweisen hat. Das Klima ist tropisch und da die Bevölkerungsdichte sehr hoch ist, sieht man nirgends endlos scheinende Weiten, winzige Dörfer und Steppen. Vielmehr wird das Land durch die Backwaters, einem riesigen Flusssystem, und den Vorläufern der Nilgiris geprägt, dazu kommt die üppige Vegetation, die Kerala etwas ganz besonderes machen. Durch die Lage im Süden an der Küste ist Kerala extrem schwül. So kommt man auch schon bei 25° C schnell ins Schwitzen. Das ist etwas mit dem Paula, die mich grade besucht, sich noch anfreunden muss, für mich aber ein kleineres Problem darstellt als die trockene Hitze mit Temperaturen über 40° in anderen Regionen. Wie einzigartig es hier ist wurde mir erst bewusst, als ich dann noch viele andere Orte besuchte, die zwar alle sehr unterschiedlich sind, sich aber in einem einig sind: Sie haben untereinander mehr gemeinsam als mit Kerala. Denn auch in anderen Aspekten sticht mein kleiner aber feiner Bundesstaat hervor. Er hat eine der höchsten Bildungsraten in Indien. Hier ist es in den jüngeren Generationen normal geworden, dass Frauen eine gute Ausbildung bekommen und arbeiten gehen und danach erst, so im Alter von 24 bis 26 Jahren heiraten. Auch die Zwei-Kind-Familie ist ein beliebtes Modell hier, im Gegensatz zu noch einer Generation zuvor, wo Familien mit aus deutscher Sicht sehr vielen Kindern normal waren. Außerdem ist die Architektur hier sehr anders. Die Häuser der Wohlhabenderen sind sehr schön, bunt verziert, mit einem großen Grundstück und mit schönen Walmdächern. natürlich gibt es auch sehr einfache Häuser, aber auch die sehen irgendwie anders aus. Es gibt noch so viel mehr Unterschiede, die mir erst jetzt so richtig bewusst geworden sind: Zum Beispiel das Essen, schon in Hampi, dem ersten Stopp unserer Reise, klagte ich über die fehlende Kokosnuss im Essen und den komischen Reis; dann die Kleidung der Menschen. In Kerala kleiden sich die Frauen traditionell im Sari, und die jüngeren Frauen und Mädchen in Churidars oder Kurtas, lange Oberteile mit schlitzen an den Seiten, dazu weite Hosen und ein Schal. Das sieht man auch eigentlich in ganz Indien, außer vielleicht in den Großstädten, nur in Kerala merkt man, dass sich besonders viel Mühe gegeben wird, dass alles ordentlich aussieht, und dass hier auch ein anderer Style angesagt ist. Die Männer laufen in langen Hosen rum oder einer Art Rock, der um die Hüfte gewickelt wird, dazu ein Hemd. Im Norden zum Beispiel sieht man höchst selten Männer in diesen so genannten Lungis. Auch die Namen sind anders hier: Es gibt nicht ein oder mehrere Vornamen und dann den Familiennamen, sondern jeder hat drei Namen: Vorname, „Mittelname“ (Name der Großmutter/ des Großvaters) und dann noch den Namen des Vaters, beziehungsweise des Ehemanns wenn die Frau heiratet. Familiennamen gibt es zwar auch, aber die werden aus irgendeinem Grund nicht verwendet. Ein Glück für mich, denn sie sind irgendwie sehr kompliziert! (z.B. Poolimootil oder Pallikunnel…) Aber man nennt Leute eh nie beim Namen sonden eher „Auntie“ „Teacher“ „Uncle“ „Chechie“ (große Schwester) „Ammachi“ (Oma) , „Mole“ (Tochter) und so weiter. Um dann zwischen den ganzen Aunties zu unterscheiden, kann dann noch der Name davor genannt werden. Ich wurde zum Beispiel am Anfang von einer der Frauen „Anniekutti“ genannt, Kutti nennt man ein kleines süßes Kind. Ein guter Spitzname wie ich finde! Auf jeden Fall bin ich sehr froh wieder in Kerala zu sein, wo ich auch wieder die Schilder auf Malayalam lesen kann, ein bisschen was von der Sprache verstehe und es meiner Meinung nach die köstlichsten Bananen der Welt gibt. Der größte Unterschied ist aber, dass man nicht mehr wie ein Tourist behandelt wird und jeder versucht einem entweder etwas zu verkaufen oder ein Selfie mit dir zu machen. Die Leute ignorieren dich einfach oder freuen sich, Ausländer in ihrer Stadt zu sehen, und das ist doch sehr angenehm. Also werde ich versuchen den letzten Monat hier so gut es geht zu genießen und freue mich aber auch auf die Heimkehr. Bis dann irgendwann!