Weltweit erlebt
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10 Freiwillige weltweit. Täglich neue Eindrücke und Erlebnisse. Kleine und große Herausforderungen. Erfahrungen für das ganze Leben – all das ist das Ökumenische FreiwilligenProgramm der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS)

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Weihnachten im TK Symphony (EMS/Dunker)
Weihnachten im TK Symphony (EMS/Dunker)
17. August 2019

"Wie, du glaubst (nicht) an Gott?"

Marie

Marie

Indonesien
arbeitet in der Kinder- und Jugendarbeit mit
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„Trachtet vielmehr zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch solches alles zufallen.“ - Matthäus 6:33

Erstmal möchte ich sagen, dass ich alles andere als ein Experte bin - ich habe nichts studiert oder extrem recherchiert, um jetzt ein Essay über die Kirche in Deutschland zu schreiben, ich bin lediglich ein Christ der 6 Monate einen kleinen Einblick in eine Gemeinde auf Sulawesi haben durfte, und möchte das, ohne jemanden anzugreifen, in diesem Eintrag reflektieren.

Im Leben der meisten Christen, die ich in Mamasa kennenlernen durfte, spielt die Kirche im Alltag eine große Rolle; meine Gastschwester Meri zum Beispiel arbeitet in einem christlichen Kindergarten, in dem einer der pädagogischen Ziele war, dass die Kinder über ihre Identität in Jesus lernen. Montags im Gottesdienst haben wir über das Evangelium geredet und sehr gerne wurden lautstark Lieder über Gottes Liebe gesungen. 

Samstagsabends haben wir uns immer als Familie zusammengesetzt, Lobpreislieder gesungen, zusammen Bibel gelesen und gebetet, um uns auf den Sonntagmorgen einzustimmen.

Sonntags ging es dann (mit Kleid und hohen Schuhen) in die Kirche, wo wir ca. 1,5h lang zusammen Gottesdienst gefeiert haben und viele der Frauen, die mit Kindern arbeiten, die Sonntagsschule leiten. 

Ich habe nie die Frage gehört, „ob“ man im Gottesdienst war, sondern eher „in welchem“.

Regelmäßig finden auch „Ibadahs“ (Worship) statt, die sind etwa wie Hauskreise, Zusammentreffen bei denen zusammen gesungen, gebetet wird, und ein Pastor dabei ist, der eine Predigt hält. 

Diese Ibadahs finden zu allen möglichen Anlässen statt, Familien-Ibadah, wenn die veranstaltende Familie für etwas danken/bitten will; Neujahrs-Ibadah, Beerdigungs-Ibadah, Geburtstags-Ibadah...

Außerdem trifft sich auch die Jugend der Kirche (PPGTM) regelmäßig zu Ibadahs oder anderen Aktivitäten, an denen ich immer sehr gerne teilgenommen habe.

Was ich etwas vermisst habe, war eine Gruppe, in der man sich mit mehr Fragen zum Glauben auseinandersetzt, um zu vermeiden, dass die Jugendlichen einfach den Glauben der Eltern „kopieren“, ohne den lebendigen Gott selbst kennengelernt zu haben. Das war dann so eine schöne Neuigkeit, als ich von meinem Lieblingspastor Pak Pendeta Marsono gehört habe, dass er so eine Gruppe in Planung hat, wo er sich individuell mit einigen Jugendlichen beschäftigen und ihnen bei Problemen helfen will.

Was ich schade finde, ist, dass viele der Deutschen, denen ich erzähle, dass fast jeder Bereich im Leben der meisten Jugendlichen in Mamasa die Kirche (GTM) als Fundament hat, und sie die Bibel als Quelle für Weisheit sehen, so erstaunt/erschrocken sind.

Vielleicht liegt es auch nur an meinem Umfeld, aber ich werde normalerweise eher belächelt, wenn ich sage dass ich vollkommen abhängig von Gott bin. 

Das war in Mamasa nicht so! Es war für mich sehr erfrischend, dass wenn mich jemand beispielsweise nach Ratschlägen fragte, es immer willkommen war, für denjenigen zu beten, oder einfach an biblische Wahrheiten zu erinnern.

Auf der anderen Seite hat es auch jeden sehr gefreut, wenn ich Videos/Fotos von meiner Gemeinde in Deutschland gezeigt habe - Meri hat eine Freundin, die nach Deutschland gezogen ist, und nur von leeren Kirchen an Sonntagen berichtet hat; die beiden hat es so glücklich gemacht, als ich von vollen Gemeinden und Sonntagsschule für Kids erzählt habe. 

Ich habe es so erlebt, dass das Bild von der Kirche in Europa das einer aussterbenden ist - einmal habe ich einen indonesischen Kettenbrief auf Whatsapp erhalten, in dem ganz dramatisch aufgelistet wurde, wie verloren Uganda, Südafrika, USA, Deutschland, Kanada, Spanien, Miami und Südamerika seien, dazu wurden auch "Beweise“ genannt, was für sündhafte Sachen da vorfallen würden. Klar, ich weiß, dass das nur ein überspitzter Kettenbrief war, aber trotzdem, das Vorurteil ist da, und ich bin unheimlich froh, das so weit es ging etwas aufklären zu können. 

Es war auch überraschend für mich, dass ich teilweise erklären musste, was überhaupt ein Atheist ist und was ich mir früher als Atheist denn vorgestellt hätte, was mit uns nach dem Tod passieren würde. 

Wo es dann in Deutschland manchmal verwundert die Frage ist, ob man ernsthaft an Gott glaubt; würde man in Indonesien gefragt werden "Wie, du glaubst nicht an Gott?!“. Dazu muss man auch wissen, dass man im indonesischen Pass angeben muss, zu welcher der 5 Weltreligionen man sich bekennt. 

In Mamasa wurde früher ein animistischer Glaube praktiziert „aluk to yolo“ (heißt soviel wie „Der Glaube unserer Vorfahren“), das wurde mir so erklärt, dass deren Anhänger an den gleichen Gott wie wir glauben würden, aber Ihn durch die Natur, also Steine, Bäume etc. erreichen. 

Shane, ein Freund von mir, wohnt in der Nähe eines ziemlich alten Baumes, und er sagte, dass immer noch einige Leute dahin zum Anbeten kommen.

Abschließend kann ich sagen, dass ich keine Gemeinde als besser oder schlechter darstellen kann/möchte - jede Gemeinde ist unperfekt und genau das gibt uns die Herausforderungen, in manchen Bereichen zu wachsen. Ich denke dass überall der Glaube anders praktiziert und wahrgenommen wird, das hat einfach damit zu tun, dass wir alle in unterschiedliche Traditionen aufwachsen.

Das ändert aber nichts an dem Fakt, dass ein und derselbe Gott vor 2000 Jahren Mensch wurde und für jeden einzelnen von uns den höchsten Preis bezahlt hat. Und das ist auch das, was uns als Christen verbindet und es für mich leicht gemacht hat, mich mit den Leuten vor Ort anzufreunden. Ich hatte einige tiefe Gespräche über den Glauben, was extrem bereichernd war. 

In einem Bücherladen der GTM habe ich mir zwei Bücher zugelegt: „Agama pribadi dan magi di Mamasa, Sulawesi Barat“ (persönliche Religion und Magie in Mamasa, West-Sulawesi) und „Kuasa berkat dari belantara dan langit“ (Kraft des Segens aus der Wildnis und vom Himmel), die Kees Buijs geschrieben hat, der sehr vertraut mit Mamasa ist und selbst eine lange Zeit Erfahrungen in Mamasa gesammelt hat. Die Bücher sollen mir dabei helfen, mehr über den Ort zu lernen, in dem ein Stück meines Herzens geblieben ist, und auch Indonesisch, beziehungsweise die lokale Sprache „bahasa Mamasa“ nicht zu vergessen. Die Bücher sind auch (teurer als auf Indonesisch) auf Englisch im Internet erhältlich. 

Wie es übrigens kurz nach meiner Einsatzzeit aussah, könnt ihr auf Milenas letztem Blogeintrag nachlesen. Die restliche Zeit habe ich dafür genutzt, auf einer Bibelschule in England als Freiwillige zu arbeiten und jetzt steht bei mir der Umzug nach Münster fürs Psychologie Studium an. 

Danke ganz herzlich für das fleißige Lesen!

Liebe Grüße, Marie 

 

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Feier im TK, zu der alle sich traditionell gekleidet haben (EMS/Dunker)
Feier im TK, zu der alle sich traditionell gekleidet haben (EMS/Dunker)