
Weltweit erlebt
9 Freiwillige weltweit. Täglich neue Eindrücke und Erlebnisse. Kleine und große Herausforderungen. Erfahrungen für das ganze Leben – all das ist das Ökumenische FreiwilligenProgramm der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS)

Wie die Zeit verfliegt
Nachdem das Asha Nilaya im April und Mai fast zwei Monate Sommerferien hatte, trudelten Anfang Juni immer mehr Kinder wieder von zu Hause ein. Auch ich war verreist und war überrascht, wie sich die Natur in dieser Zeit verändert hatte. Auf unserer Reise hatten wir so viele verschiedene Landschaften gesehen, dass es einem fast unmöglich schien, dass dies alles Indien ist. Wir waren bei 45° in der Wüste und bei unter 0° in den Bergen im Norden gewesen und doch hatten wir nur einen kleinen Teil des Landes gesehen und somit nur einen kleinen Einblick in seine Vielfalt bekommen.
Hier hatte über die Zeit der Monsunregen angefangen und somit hatte sich die trockene Landschaft in tausende Grüntöne verwandelt. Der kleine Weg in dem Wäldchen hinter dem Asha Nilaya war auf einmal zu einem kleinen Bächlein geworden, einer der großen Bäume war samt Wurzel umgekippt und ich wurde nachts plötzlich von Blitzen und Donnern geweckt. Der prasselnde Regen erinnerte mich sehr an meine ersten beiden Monate in Udupi, in denen es die letzten richtigen Regenfälle gab. Ich musste viel darüber nachdenken, wie neu damals alles noch für mich war, wie fremd alles für mich war und wie vertraut alles über die Zeit geworden war. Nach den zwei Monaten war es ein wenig wie nach Hause kommen. Es war so schön, die Kinder mit all ihrer Energie wiederzusehen und wieder durch die mir bekannten Straßen zu laufen. Zu merken, dass mir das in den fast zwei Monaten sehr gefehlt hat, ließ mich ein wenig traurig werden, denn mir wurde immer wieder bewusst, dass ich nur noch einen Monat hatte und dass dieser wahrscheinlich genauso rasend schnell vorbeigehen würde wie die Wochen davor.
Ich verbrachte in diesem letzten Monat nochmal viel Zeit mit den Kindern und nahm mir vor noch ein paar Dinge zu tun, die ich mir schon seit Beginn vorgenommen hatte. Zusammen mit einer Praktikantin (einer Theologiestudentin aus Nordindien) die mich in den Schulstunden im letzten Monat oft begleitet hat, sah ich so zum Beispiel noch ein paar Orte in der Umgebung, lernte noch mehr Gerichte aus der indischen Küche kennen (da kann man scheinbar nie auslernen) und bastelte noch einen Wandkalender für die Einrichtung. Mit David und der Familie einer Lehrerin des Asha Nilayas verfolgten wir dann noch an manchen Abenden die Fußball WM, die, wie ich gelernt habe, in Indien in manchen Landesteilen mehr und in anderen weniger verfolgt wird. Ich aß noch so oft es ging Samosas, meinen Lieblingssnack am Nachmittag und trank süße Mango-Shakes (denn die Mango-Saison hatte im Mai angefangen). Aber alles in allem ging der letzte Monat einfach viel zu schnell um und es fiel mir überhaupt nicht leicht, mich von allem zu verabschieden. Mir wurde nochmal bewusst wie viele Menschen mit all ihren Geschichten ich in diesen zehn Monaten kennenlernen durfte und wie viele Dinge ich erleben durfte und wie dankbar ich dafür war. Und als eines der Mädchen mir eine kleine Stickarbeit, die wir zusammen im Unterricht gestickt haben, schenkte, kamen auch mir ein paar Tränen am letzten Tag und ich wünschte mir das Jahr würde wie der Regen nochmal von vorne anfangen.

