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Ausblick vom Lighthouse in Chennai auf den Marina Beach (Foto: EMS/Keller)
Ausblick vom Lighthouse in Chennai auf den Marina Beach (Foto: EMS/Keller)
06. November 2023

Im Herzen von Chennai

Carolin

Carolin

Indien
Mädchenheim
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Was bisher so passiert ist

Liebe Blog-Leser:innen,

seitdem ich meinen Vorstellungtext geschrieben habe, ist einiges an Zeit vergangen und noch viel mehr passiert. Mein Freiwilligendienst hat recht chaotisch gestartet, was sicherlich eine gute Vorbereitung auf die sehr spontane und eher unverbindliche Art des Miteinanders war, die ich bis jetzt so in Indien erlebt habe.

Doch zunächst ein kleiner Hinweis, dass alles, was ich in diesem Blog schreibe, und erzähle ausschließlich meiner persönlichen Erfahrung entspricht und daher in keinem Fall auf die Erlebnisse anderer Personen zu übertragen ist, geschweige denn auf die Gesamtheit des indischen Subkontinents. Das, was ich hier erleben darf, ist nur ein winziger Ausschnitt an Eindrücken, welcher zudem lokal sehr begrenzt ist da ich mich hauptsächlich an meiner Einsatzstelle in Nandyal, Andhra Pradesh aufhalte. Deswegen ist mein Blog auch nur als Erfahrungsbericht für meine konkrete Situation zu verstehen und keinesfalls als allgemeingültiger Reisebericht über Indien. Zudem ist aufgrund der sprachlichen Gegebenheiten auch nicht immer gegenseitiges Verständnis gegeben, sodass ich manche Dinge vielleicht auch nicht richtig verstehe oder bei erneutem Nachfragen eine andere Antwort erhalte.

Nun aber zum Beginn meiner Reise: Nachdem unser Flug nach Indien bereits einmal verschoben wurde aufgrund unserer fehlenden Visa, wurde wenige Tage vor Abreise am 12.10.23 klar, dass ich die Reise vorerst allein antreten musste, da mein Visum als einziges von uns drei Indien Freiwilligen angekommen war. Allein in dieses Abenteuer zu starten hat mir den Abschied von meiner Familie am Flughafen nochmal schwerer gemacht. Zunächst ging es mit dem Flugzeug sechs Stunden nach Abu Dhabi und dann nochmal vier Stunden nach Chennai, wo ich um drei Uhr nachts Ortszeit landete. Der Flughafen in Chennai befindet sich mitten in der Stadt, also „im Herzen Chennais“ wie mir von meinem Sitznachbar im Flugzeug mitgeteilt wurde, dessen Oma zufälligerweise aus Nandyal kommt. Dass ich tatsächlich mitten im Geschehen gelandet war, wurde mir spätestens klar, als ich den Flughafen verließ und förmlich erschlagen wurde von schwülwarmer Luft, lautem Gehupe und einer riesigen Menschenmenge. Als ich diesen Eindruck meinen beiden Mentoren Reverend John Nischal und Reverend Christopher mitteilte waren sie etwas verwundert da laut ihnen doch „überhaupt nichts los“ war. Nach einer kurzen Autofahrt waren wir dann auch schon beim CSI (Church of South India) Synod Center angekommen. Dort sollte ich in den nächsten Tagen meine ersten Erfahrungen sammeln mit indischem Essen, dem Duschen mit Eimer und Messbecher und der Nutzung von Bidets. In den ersten Tagen wurde mir die Arbeit und der Aufbau der CSI näher erklärt: Sie umfasst die südindischen Bundesstatten Tamil Nadu, Kerala, Andhra Pradesh, Telangana, Karnataka, Puducherry und einen kleinen Teil Sri Lankas. Sie hat viele unterschiedliche Abteilungen und Projekte, die sich für Minderheiten und unterdrückte Gruppen in Indien einsetzen, mit dabei etwa Mädchen und Frauenrechte, Dalits (die „Unberührbaren“, welche aus dem Kastensystem rausfallen) und Adivasi (was so viel wie „erste Siedler bzw. ursprüngliche Einwohner“ bedeutet). Die CSI betreibt zudem verschiedene Heime für Kinder, die aufgrund von psychischer oder physischer Beeinträchtigung, kranker Eltern oder verstorbener Eltern besonders gefährdet sind.

Eigentlich sollte das Orientierungsseminar in Chennai bis zum 17.10 andauern, da an meiner Einsatzstelle aber in der Woche noch Ferien wegen des Dussehra Festivals (ein hinduistisches zehntägiges Fest, bei dem der Sieg Durgas über den Büffeldämon Mahishasura gefeiert wird) waren, wurde mein Aufenthalt in Chennai kurzerhand um eine Woche verlängert. Am 24.10 wurde mir dann spontan gesagt, dass ich innerhalb von zwei Stunden fertig sein soll, da Vikram (der Verantwortliche für die Freiwilligen am Holy Cross Boarding Home) früher da war als erwartet. Der Abschied von den Menschen im Center viel mir schwer, da sie sich in den letzten Tagen liebevoll und herzlich um mich gekümmert hatten und nun erneut eine Reise ins Unbekannte bevorstand, mit mir noch fremden Menschen in einem neuen Land. Ganz komfortabel mit dem Auto ging es zunächst nach Vellore, wo wir für meine Registrierungsdokumente eine Unterschrift der Bischöfin der Diözese Nandyal brauchten – übrigens der einzige weibliche Bischof der CSI. Dann ging es weiter Richtung Nandyal, wo wir um 22 Uhr eintrafen. An den indischen Straßenverkehr muss ich mich definitiv noch gewöhnen. Hier ist es keine Seltenheit eine vier bis fünfköpfige Familie, Geisterfahrer, Kühe oder Fußgänger auf der Schnellstraße zu sehen. Zudem scheint die wichtigste Verkehrsregel Hupen zu sein, um sich den Personen um sich herum anzukündigen. Sicherheitsabstand hingegen ist eher unüblich.

Meine ersten Tage an der Einsatzstelle waren noch recht chaotisch, da die Mädchen nur sehr langsam wieder von den Ferien im Hostel eintrudelten. Zudem gab es noch einigen Papierkram zu erledigen, um meine Registrierung in Indien abzuschließen. Problematisch ist hierbei, dass mein Visum auf Chennai statt Nandyal ausgestellt wurde, weswegen ich demnächst möglicherweise zurück nach Chennai muss, um die Registrierung dort abzuschließen. Alltag konnte sich folglich noch nicht einstellen, aber ich durfte meinen ersten Feiertag in Indien erleben. Am 02.11. wurde hier „All Souls Day“ gefeiert, wobei Familien auf dem Friedhof die Gräber ihrer Angehörigen mit Blumen, Kerzen und Räucherstäbchen schmücken, während lautstarke Musikbeschallung herrscht. In den ersten Tagen war es für mich so, als würde ich nochmal komplett neu in Indien ankommen – das Wetter ist wesentlich heißer und trockener (tagsüber bis zu 37°C, ohne Klimaanlage wie in Chennai dafür mit Blechdach) und das Essen ist deutlich schärfer, scheinbar isst man in dieser Region Indiens mit am schärfsten von ganz Indien.

Da ich keine „Einweisung“ bekommen habe, wie hier der genaue Tagesablauf ist, bzw. meine Aufgaben als Freiwillige aussehen können, möchte ich meinen Aufgaben, sowie dem Tagesablauf für die Mädchen im Holy Cross Boarding Home gerne einen eigenen Blogeintrag widmen, wenn ich mich selbst besser auskenne. Ihr dürft also neugierig sein auf mehr ;)

Bis dahin: Tropische Grüße und bis ganz bald,

Caro

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Ein Teil des Innenhofes des Holy Cross Boarding Homes for Girls - meiner Einsatzstelle (Foto: EMS/Keller)
Ein Teil des Innenhofes des Holy Cross Boarding Homes for Girls - meiner Einsatzstelle (Foto: EMS/Keller)
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Auf dem CSI burial ground in Hostelnähe wird der „All Souls Day“, ein christlicher Feiertag, zelebriert (Foto: EMS/Keller)
Auf dem CSI burial ground in Hostelnähe wird der „All Souls Day“, ein christlicher Feiertag, zelebriert (Foto: EMS/Keller)

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