
Weltweit erlebt
14 Freiwillige weltweit. Täglich neue Eindrücke und Erlebnisse. Kleine und große Herausforderungen. Erfahrungen für das ganze Leben – all das ist das Ökumenische FreiwilligenProgramm der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS)

#4 Ein Krankenhaus und eine Schule
Liebe Leser und Leserinnen,
über meine Arbeit habe ich bis jetzt noch gar nicht gesprochen. In meinen drei Monaten in Kamerun habe ich einen vielseitigen Einblick bekommen…
Hoffnung auf eine Einsatzstelle
In meinem ersten Blogbeitrag sprach ich von meiner Hoffnung, dass die Schulen im anglophonen Teil Kameruns ab Oktober wieder öffnen werden. Schließlich war für mich eine Schule, das Presbyterian Youth Centre, als Einsatzstelle vorgesehen! Geöffnet hatten viele Schulen seit Anfang September. Trotz Anwesenheit vieler Lehrer und Lehrinnen sind die meisten der Schüler und Schülerinnen noch nicht in der Schule erschienen. Manche der Streikenden im anglophonen Teil versuchen den Schulbetrieb zu behindern und haben beispielsweise Drohbriefe in Umlauf gebracht oder Schulen angezündet. Deswegen sind viele Eltern um ihre Kinder besorgt und schicken diese nicht in die Schulen.
Für uns hat das bedeutet, dass wir die ersten sechs Wochen in Kumbo ohne wirkliche Arbeit verbracht haben. Unser Alltag bestand aus Kochen, den Haushalt machen, in die Kirche gehen, an den Treffen der Jugendgruppe CYF teilnehmen, den Markt besuchen, Deutschunterricht an Interessierte zu geben und uns mit Freunden und Freundinnen zu treffen. Dass wir in Ruhe ankommen durften und ohne Stress neue Erfahrungen machen konnten, schätze ich sehr. Trotzdem hätte ich es auch schön gefunden, jeden Morgen aufzustehen und eine Beschäftigung haben zu können. Allein das Gefühl morgens zur Arbeit zu laufen und nachmittags müde, aber erfüllt, wieder nach Hause kehren zu können, hatte mir gefehlt. In dieser (politisch) schwierigen Situation standen wir mit unserer Koordinatorin Kathrin von der EMS in Kontakt, worüber ich dankbar bin. Allerdings haben mich die Gespräche zum Nachdenken angeregt und traurig gemacht. Das lag daran, dass wir mit ihr von einer möglichen Versetzung, also einem Wechsel des Ortes oder sogar des Landes, geredet haben. Ich habe mich in Kumbo wohlgefühlt und wollte die vollen zehn Monate dort verbringen. Unser aufgebautes soziales Umfeld zu verlassen war für mich schwer zu ertragen. Ich wollte gerne Freundschaften vertiefen, die Menschen in meiner Umgebung besser kennenlernen und eine Arbeit haben, die mich erfüllt und glücklich macht.
Plan B
Im November 2016 hatten die meisten Schulen im anglophonen Teil aufgrund eines Streiks der Lehrer*innen geschlossen. Unsere Vorgängerinnen Julia und Milena haben nach einiger Zeit im „Banso Baptist Hospital“ angefangen zu arbeiten. Reverend Nganji hat für uns dort ebenfalls eine Beschäftigung gesucht und eine Anfrage an das Krankenhaus geschickt. Wir bekamen die Rückmeldung, dass wir einen Termin mit dem Administrator, dem Krankenhausleiter, hätten. Mit ihm sollten wir uns über unsere Einsatzstellen innerhalb des Krankenhauses beraten. Die Freude meinerseits war groß. Nicht nur wegen der Aussicht einer Beschäftigung, sondern auch weil ich mir erhofft habe, einen kleinen Einblick in die medizinische Welt zu bekommen. Nach meinem Freiwilligendienst möchte ich etwas in dem Bereich studieren. Das „Banso Baptist Hospital“ (das werde ich im Folgenden mit BBH abkürzen) ist ein Krankenhaus mit sehr gutem Ruf in der gesamten Region. Von unserem Zuhause, der Presbyterian Church, ist es nur zehn Minuten zu Fuß entfernt (zwar leider den Berg hoch, aber immerhin macht man dann ein bisschen „Sport“).
Zwei Wochen Schule im Krankenhaus
Die ersten zwei Wochen haben wir die Kinder des Krankenhauspersonals unterrichtet. Unterstützt und ins Leben gerufen wurde das von Nancy, einer Amerikanerin, die für den Zeitraum zu Besuch war. Später kamen zusätzlich immer mehr Lehrerinnen der krankenhauseigenen Grundschule hinzu. Unterrichtet wurde in der Krankenhauskapelle. Von Mal zu Mal ist die Anzahl der Schüler gestiegen, sodass wir gegen Ende sogar über 200 Kinder von Kindergartenalter bis Klasse 6 hatten! Das ist eine riesige Anzahl an Schülern, wenn man bedenkt, dass in manchen Schulen wenig bis gar keine Kinder sind. Zwei Tage war ich mit Klasse 1 bis 3 alleine, die ich alle zusammen unterrichten sollte. Das war bei über vierzig Kindern eine große Herausforderung. Nicht nur, weil die Kinder unterschiedliche Bildungsniveaus hatten, sondern auch alle bei Konzentration zu halten war nicht einfach. Die letzte Woche hat uns eine Lehrerin ein wenig beim Unterrichten unterstützt. Obwohl wir ihr mehrmals klargemacht haben, dass wir keine ausgebildeten Lehrerinnen seien, sondern Freiwillige, haben wir trotzdem die meiste Zeit den Unterricht gestaltet. Nach zwei Wochen Unterricht in der Krankenhauskapelle war geplant in die Schule umzuziehen und den Unterricht dort fortzusetzen. Bei der Menge an Schülern und Schülerinnen wäre es auf Dauer zu laut in der Kapelle gewesen.
Trotz mancher Überforderung habe ich manche der Schüler und Schülerinnen sehr ins Herz geschlossen. Es hat mich gefreut, dass ich auch ein paar kranke Kinder ablenken konnte, wie beispielsweise Samuel, der gerade eine Chemotherapie hinter sich hatte. Sehr lachen musste ich, als eine Junge auf mich zukam, erzählte: „Madame, I lost my teeth“ und mir seinen Wackelzahn entgegenstreckte.
Im Statistikbüro
Als nächste Arbeit im Krankenhaus war der Statistikbereich vorgesehen. Obwohl der Name des Bereichs vielleicht im ersten Moment abschreckend klingen mag, wollte ich dem Ganzen eine Chance geben und bin mit guter Einstellung an die Sache gegangen. Ich musste im Statistikbüro Tabellen in „Consultation Books“ zeichen. Ihr müsst wissen, dass im BBH fast alles auf Papier festgehalten wird. So müssen die behandelnden Aerzte und Aerztinnen bei jedem Patienten oder Patientin in ein „Consultation Book“ bestimmte Informationen in Form einer Tabelle festhalten. Das kann z.B. die Diagnose, der Wohnort oder der HIV Status sein. Die Seiten etlicher „Consultation Books“ mussten wir mit neuen Tabellen füllen. Zum anderen haben wir Akten zusammengetackert oder Patientenkarten ausgeschnitten. Leider hatte ich bei der Arbeit nicht wirklich Spaß. Die Arbeit war sehr ermüdend und monoton.
Meinen Kolleginnen und Kollegen im Statistikbüro möchte ich großen Respekt entgegenbringen. Sie erledigen sehr wichtige Arbeit per Hand ohne Computer. Ich habe mich gefreut sie ein wenig entlasten zu können.
Endlich etwas Medizinisches!
Nach einer Woche Statistik wollte ich endlich im medizinischen Bereich arbeiten. Die Krankenhausleitung war skeptisch, da wir keinerlei medizinische Ausbildung mitbringen und so nicht Patienten und Patientinnen behandeln dürfen. Allerdings durfte ich schließlich doch in den medizinischen Bereich wechseln, mit der Arbeitsanweisung nur zu beobachten. Mit einem weißen Kittel ausgestattet ging es zum „Surgery Ward“. In diesen Bereich des Krankenhauses kommen die Patienten und Patientinnen, die eine Operation hinter sich haben. Ich wurde sehr lieb von der Oberschwester empfangen, die lustigerweise auch in meine Kirche geht. Morgens habe ich den Doktoren bei der Arbeit zugesehen, wenn sie ihren Rundgang machen. Dabei konnte man interessante, aber teils auch einschüchternde Dinge beobachten. Ansonsten habe ich die Krankenschwestern bei ihrer Arbeit begleitet. So z.B. beim Vitalwerte messen, Medizin austeilen, Wunden reinigen und versorgen. Manchmal habe ich auch beim Bettenmachen geholfen oder ich habe etwas aus dem Labor geholt. Ich durfte auch ein paar Mal Fieber, Puls und Blutdruck messen. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht mit den Patienten und Patientinnen zu reden und sie z.B. zu fragen, woher sie genau kommen. Manchmal konnte ich auch ein bisschen Französisch reden. Es war spannend, die Entwicklung mancher Patienten und Patientinnen zu beobachten.
Ich habe um 7 Uhr angefangen zu arbeiten und bin um 14 Uhr wieder nach Hause gegangen. Obwohl ich „nur“ beobachtet und ausgeholfen habe, ist die Arbeit sehr anstrengend gewesen. Leider durfte ich aufgrund meiner fehlenden medizinischen Ausbildung sehr wenig machen. Deswegen habe ich oft das Gefühl gehabt im Weg zu stehen und mehr Belastung als Entlastung zu sein.
Und jetzt?
Am 17. November kam Johannes Stahl von der Basler Mission deutscher Zweig uns besuchen, um unter anderem nach unseren Einsatzstellen zu sehen. Bei einem langen Gespräch hatte ich mir vorgenommen, nach Erlaubnis für Aufgaben (wie Vitalwerte messen) im Krankenhaus zu fragen und wenn nötig dazu ein paar Schulstunden mit den Auszubildenden zu absolvieren. Außerdem wollte ich bei einer anderen Presbyterianischen Grundschule im Ort vorbeisehen, ob es dort ein paar Kinder gibt, die ich mitbetreuen kann. Danke an dich, Johannes, für die klärenden Gespräche mit dir!
Im Krankenhaus wurde mir mein Wunsch nach medizinischen Aufgaben nicht gestattet, weil dazu eine medizinische Lizenz nötig wäre. In die medizinische Berufsschule zu gehen hätte sich auch als sehr schwierig herausgestellt. Deswegen hatte ich mich entschieden, im Krankenhaus aufzuhören und mich auf die Grundschule zu konzentrieren. Es fiel mir nicht ganz leicht, das Krankenhaus und sein liebes Personal zu verlassen. Trotzdem wollte ich nicht nur beobachten, sondern machen.
Presbyterian School
Meine letzte und schönste Einsatzstelle war in der Presbyterian School, die bei mir fast gegenüber lag. Eines Tages bin ich dort vorbeigegangen und habe nachgefragt, ob bei ihnen ein paar Kinder den Unterricht besuchen würden und ob ich bei ihnen mitarbeiten könnte. Ich wurde sehr nett vom Schulleiter empfangen und er hat für mich die „Nursery“ vorgesehen. Die „Nursery“ ist eine Art Kindergarten, in dem die Kinder aber auch Schreiben und Rechnen lernen.
Morgens um acht Uhr bin ich in den Klassenräumen der Nursery eingetroffen. Ich habe die beiden Lehrerinnen Madame Ethel und Madame Biime beim Unterrichten und Betreuen der Kinder geholfen. Zu Beginn haben wir mit den Kindern gebetet, gesungen und getanzt. Da kam man schon manchmal sehr aus der Puste, weil wir ganz schön viel gehüpft sind! Dann hat eine der beiden Lehrerinnen angefangen zu unterrichten. Meistens hat eine Lehrerin Mathe und die andere Englisch übernommen. Ganz leicht war das nicht, denn es hat es seit über einem Jahr keinen Unterricht mehr gegeben und es fiel den Kindern nicht immer leicht stillzusitzen. Zudem konnten manche Kinder noch kein Englisch, weil im Elternhaus Lamnso (Sprache des Nso-Volks) gesprochen wurde. Im Unterricht wurde viel auf Nachsprechen und Wiederholung gesetzt, um das Gelernte zu festigen. Mir kamen einige Umgangsformen fremd vor, wie zum Beispiel, dass Kinder mit Essen „bestochen“ wurden, um etwas zu machen. Oder, dass bei mancher Unartigkeit einen Klaps auf den Kopf gegeben wurde.
Gegen Ende habe ich etwas Kleines an Unterrichten übernommen. Einmal hatte ich mit den Kindern einen Reim geübt oder ich bin mit ihnen Teile des Gesichts wie Nase und Mund durchgegangen. Um circa 11 Uhr wurde eine Pause gemacht. Wir haben die Hände gewaschen, gebetet und danach zusammen gegessen. Es wurde darauf geachtet, dass das mitgebrachte Essen geteilt wird und jedes Kind etwas bekommt. Für mich war es schön noch einiges an Essen auszuprobieren und ich für meinen Teil habe Kuchen oder Kekse mitgebracht, die ich geteilt habe. Nach dem Essen saßen wir draußen auf dem Gras unter einem Baum, haben uns unterhalten und die Kinder beim Spielen beaufsichtigt. Madame Biimi konnte man manchmal beim Häkeln einer traditionellen Kopfbedeckung zusehen, die sie anfertigt und anschließend verkauft. Und Madame Ethel habe ich manchmal beim Knacken ihrer Sonnenblumenkerne unterstützt. Um 12 Uhr haben wir abschließend gebetet und dann sind die Kinder nach Hause gegangen.
Mir hat die Arbeit sehr viel Spaß gemacht. Ich wurde von den beiden Lehrerinnen aktiv in die Unterrichtsplanung einbezogen, trotzdem hatte ich nie das Gefühl überfordert zu sein. Die Kinder waren wunderbar und haben mich nach einer gewissen Zeit als eine dritte „Madame“ akzeptiert. Gegen Ende wurde ich stürmisch umarmt, als ich das Schulgelände betreten habe. Es war nicht leicht die Schule zu verlassen, aber ich hatte einen schönen letzten Schultag mit Kuchen, zwei wunderbaren Lehrerinnen und tobenden Kindern.
Obwohl ich nie an meiner eigentlichen Einsatzstelle gearbeitet habe, habe ich einen riesigen Einblick in verschiedenste Einrichtungen bekommen. Dafür bin ich dankbar und habe mich gefreut, dass ich gegen Ende sehr viele Menschen aus den unterschiedlichsten Bereichen kannte. Als ich in meiner letzten Woche noch im Krankenhaus war, habe ich eine alte Patientin getroffen, die ich aus der Intensivstation kannte und die nun zu einer letzten Kontrolle ins Krankenhaus kam. Wie schön war es für mich sie so strahlend und glücklich zu sehen! Außerdem habe ich viele Auszubildende oder Schwestern aus dem Krankenhaus getroffen und mich kurz mit ihnen unterhalten. Vielen Dank an alle meine Kolleg*innen, die mich so freundlich aufgenommen haben und mir Einblick in ihre Arbeit gegeben haben.
Liebe Grüße von Annika

