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Das Römische Theater in Amman (Foto: EMS/Leidel)
Das Römische Theater in Amman (Foto: EMS/Leidel)
04. Dezember 2023

اهلا وسهلا - Willkommen in Jordanien

Johanna

Johanna

Jordanien
Internat
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Mein Start in Jordanien - ein kurzer Bericht

«Welcome to Jordan». Ich habe aufgehört zu zählen, wie oft mir das Leute auf der Straße mit einem Lächeln gewünscht haben. Am Anfang freute ich mich wirklich darüber, aber langsam frage ich mich, wie man in einem Land ankommen kann, in dem man immer als anders wahrgenommen wird.

Meine Reise begann früh morgens am Flughafen in Zürich. Und auch wenn der Flug nicht lang und der Abschied nicht leicht war, gibt es doch nichts Besseres als das Gefühl zu wissen: DU bist auf dem Weg. Die Monate und Wochen des Wartens sind vorbei. Alles ist vorbereitet und selbst wenn nicht, kann man jetzt nichts mehr ändern. Da ich einen Fensterplatz hatte, konnte ich beobachten, wie sich die Vegetation langsam veränderte und auch die Gesprächsfetzen der Mitreisenden stimmten mich auf ein Land ein, das ich lange Zeit nicht als Option in Betracht gezogen hatte und in das ich nun mit zwei Koffern, Vorfreude und keiner genauen Vorstellung, was mich erwarten würde, reiste.

Kaum an meiner Einsatzstelle angekommen, erkundeten meine Mitfreiwilligen und ich das Gelände, wo wir zum ersten Mal die Kinder trafen, den ersten Sonnenuntergang über Amman erlebten und selbst gepflückte Kaktusfrüchte aßen. Und als sich die Anspannung langsam löste, realisierte ich allmählich, dass dies mein Zuhause für die nächsten 10 Monate sein würde. Dieses Land mit seinem felsigen, sandigen Gestein und seinen grün schimmernden Minaretten. Dieses Land mit seinen heißen Tagen und lauen Nächten. Und auch wenn ich bis dahin nur Bruchstücke des Landes und seiner Kultur kennenlernen durfte, werde ich mich immer an den ersten Abend hier erinnern. Die Falafel-Sandwiches, die uns zur Begrüßung gebracht wurden, die Abendstimmung über dem Olivenhain, den ich von meinem Fenster auf dem Schulgelände aus sehen konnte, und die kleinen Gespräche, die wir mit Händen und Füßen führten, um uns für das Essen und die Betreuung zu bedanken.

Zu unserer Erleichterung hatten wir ein paar Tage Zeit, um uns einzuleben und uns auf den Beginn unserer Freiwilligenarbeit vorzubereiten. Trotzdem war die Aufregung groß, als wir das erste Mal mit dem Internatsleiter sprachen oder unsere Kindergruppe das erste Mal trafen. Glücklicherweise konnten bei diesen Begegnungen die Sprachbarrieren durch die Sprachkenntnisse des Gegenübers oder durch das Spielen von UNO ein wenig überwunden werden. Und während wir immer mehr ankamen und uns langsam einen kleinen Grundwortschatz aneigneten, gewöhnten wir uns an den Gedanken, ein Land, in dem alles so neu und anders war, unser Zuhause zu nennen.

Die Theodor-Schneller-Schule ist eine Einrichtung, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, den interreligiösen Austausch zwischen Islam und Christentum von klein auf zu fördern, indem christliche und muslimische Kinder gemeinsam unterrichtet werden. Besonders im Internat wird dieser Austausch und Kontakt gelebt, wenn abends vor dem Schlafengehen gemeinsam im Koran oder in der Bibel gelesen wird (wohlgemerkt aus eigenem Antrieb) und darüber gesprochen wird, was das Gelesene oder Religion allgemein für den anderen bedeutet. Das liegt auch daran, dass Religion in Jordanien generell einen höheren Stellenwert hat, als ich es in Europa erlebt habe, vor allem natürlich der Islam. Das merkt man im Alltag, wenn zum Beispiel mittags und abends die Stadt für einen kurzen Moment zur Ruhe kommt, weil alle ihr tägliches Gebet verrichten. In solchen Momenten gibt es keinen Unterschied zwischen Polizisten, Ladenbesitzern oder Müllmännern. Denn wie ein Taxifahrer neulich so schön sagte: «Am Ende sind wir alle Menschen und gleich. Wir glauben an denselben Gott. Und wenn ich dann meinem Gegenüber mit wenig Respekt oder Wohlwollen begegne, bedeutet das, dass ich nicht alle Aspekte meiner Religion oder meiner Wertmaßstäbe lebe und befolge». Bewusst oder unbewusst setzt man sich so gleichzeitig mit der eigenen und anderen Religionen und Glaubensrichtungen auseinander.

Ich habe es schon erwähnt: Mein erster Eindruck von der Landschaft Jordaniens war der eines trockenen, sandsteinfarbenen Landes. Auch wenn es Ausnahmen gibt, wie die Wälder in Adschlun und die Oase in Azraq, so wird doch deutlich, dass Jordanien das zweitwasserärmste Land der Welt ist. Und auch wenn man sich schneller als erwartet an die Hitze gewöhnt und die Temperaturen sich meiner Meinung nach in Grenzen halten, gibt es natürlich große Unterschiede zwischen Jordanien und Deutschland oder der Schweiz. Vor allem, wenn man sich an die Kleidervorschriften hält, die durch den starken Einfluss des Islam zur gesellschaftlichen Norm geworden sind und vor allem für Frauen natürlich etwas strenger ausfallen. Oft trugen oder tragen wir Freiwilligen deshalb lange Hosen und ein hochgeschlossenes T-Shirt oder einen Rollkragenpullover. Da Kleidung aber auch immer etwas mit dem Ankommen in einem Land und der Akzeptanz von und durch das Gegenüber zu tun hat, ziehen wir die etwas wärmere Kleidung mehr als gerne an.

Besonders in Marka, dem Stadtteil Ammans, der uns am nächsten liegt, ist es auch wirklich wichtig, sich daran zu halten. Dort sind wir sowieso schon die einzigen auffälligen Ausländer und werden dementsprechend kritisch oder neugierig beäugt. Da hilft es, wenn man die kulturell und gesellschaftlich verankerten Normen respektiert und dadurch vermittelt, dass man den kulturellen Austausch nicht nur als Urlaubsspaß, sondern als ernsthaft gewollte Dialog sieht und versucht, ihn auch so zu leben. Und auch wenn das manchmal sehr direkte Anstarren zu unserem Alltag gehört und uns (vor allem als Frau) häufig Sachen hinterhergerufen werden, so erleben wir doch auch Situationen, die von ernsthaftem Interesse, Freude, dass wir hier sind, oder echter Gastfreundschaft zeugen.

Immer wieder werden wir zum Essen eingeladen, manchmal sogar von Leuten, die wir gerade erst im Bus oder auf der Straße kennengelernt haben. Auch die erste Hochzeitseinladung und der erste Heiratsantrag ließen keine zwei Wochen auf sich warten. Beides haben wir dankend abgelehnt. Auch die Tatsache, dass wir zu viert zusammenleben, ohne verwandt, verlobt oder verheiratet zu sein - und dann auch noch zwei Jungen und zwei Mädchen in den besten Jahren - sorgt bei den Schülern immer wieder für Verwirrung. Die Familie hat in Jordanien einen sehr hohen Stellenwert und vor allem als Frau lebt man so lange bei der Familie, bis man eine eigene Familie gründet. Selbst nach der Heirat leben die meisten in der Nähe ihrer Eltern oder Verwandten.

Auch wenn die Stellung der Frau und die Art, wie Frauen behandelt werden, zu Diskussionen Anlass gibt, ist der enge Kontakt zur Familie und die sichtbare Verbundenheit etwas sehr Schönes. Als Frau hat man es in Jordanien nicht immer leicht, aber eines ist zumindest klar: Wenn eine Frau in einen überfüllten Bus steigt, hat sie das Privileg, dass ein Platz für sie frei gemacht wird. Und auch wenn die Rolle der Frau immer noch sehr traditionell ist, gibt es immer mehr Frauen, die sich auf ihre Weise dagegen wehren und zum Beispiel studieren. Und immer mehr Familien unterstützen ihre Töchter dabei.

Aber wie sieht mein Alltag in der Schule aus? Wir Freiwilligen leben auf dem Schulgelände und unsere Tage sind unter der Woche klar geregelt und oftmals sehr ähnlich. Das heißt aber nicht, dass es keinen Spaß macht, hier zu arbeiten. Unser obligatorischer Start ist um 13:30 Uhr, wenn die Kinder aus der Schule kommen und es Mittagessen in unseren Familien gibt (kleinen Wohngruppen mit eigenen Erziehern im Internat). Vormittags ist es uns freigestellt, ob wir in die Schule oder in den Kindergarten gehen, um dort mitzuhelfen. Recht schnell ergab es sich, dass meine Mitfreiwillige Amadea und ich am Chor und an der «Drama Class» teilnehmen, da die Lehrerin gut Englisch spricht und wir beide gerne singen. Da unsere Arabischkenntnisse mit der Zeit immer besser wurden, haben wir unsere Aktivitäten in der Schule auch auf den Englisch- und Deutschunterricht ausgeweitet, was mir viel Spaß macht. Und auch die Lehrerinnen und Schüler freuen sich, wenn die Europäer von Zeit zu Zeit mit ihrem lustigen Arabisch auftauchen. Gerade in den höheren Klassen profitieren beide Seiten voneinander, denn beide Seiten haben eine fremde, oft komplexe Sprache zu lernen. Und es gibt wenige Situationen, in denen man so herzlich miteinander lachen kann, wie wenn man sich auf Arabisch, Deutsch, Englisch und notfalls mit Händen und Füßen unterhält und sich trotz Sprachbarrieren einigermaßen versteht.

Viel praktischer als man es aus der Schulzeit kennt, wird so die neue Sprache im Alltag verankert. So macht es auch viel mehr Spaß, Arabisch zu lernen. Verbesserungen zahlen sich sofort aus und so macht es im Großen und Ganzen wirklich Freude Arabisch zu lernen, diese andere und oft komplexe Sprache.

Ich hoffe, ich konnte euch damit einen kleinen aber feinen Einblick in meinen momentanen Alltag geben. Bis bald und alles Gute

Johanna

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Die Zitadelle über Amman (Foto: EMS/Leidel)
Die Zitadelle über Amman (Foto: EMS/Leidel)
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Buntes Treiben in Downtown-Amman (Foto: EMS/Leidel)
Buntes Treiben in Downtown-Amman (Foto: EMS/Leidel)

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