Weltweit erlebt
14 Freiwillige weltweit. Täglich neue Eindrücke und Erlebnisse. Kleine und große Herausforderungen. Erfahrungen für das ganze Leben – all das ist das Ökumenische FreiwilligenProgramm der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS)
Meine letzten Wochen: Reisen und Abschiede
Es ist Ende Juni als ich diesen Blogbeitrag anfange und mein Freiwilligendienst ist ab dem 15. Juni offiziell abgeschlossen. Seid daher bin ich unterwegs, in Ägypten, Israel und Palästina. Aber starten wir am Anfang.
Vom 29. Mai bis zum 09. Juni waren meine Eltern und meine Schwestern zu Besuch in Jordanien und wir haben mit einem Mietauto das Land erkundet. Von Wüstenschlössern, schöner Natur, das Rote und Tote Meer und eines der sieben Weltwunder: Petra haben wir alles gesehen, ich auch manchmal schon zum dritten oder vierten Mal. Das ist das Schöne an Jordanien, dass es ein relativ kleines Land ist, sodass man in 10 Monaten so gut wie alles, oder zumindest die bekanntesten Orte besuchen kann.
Nach diesen sehr intensiven und langen Tagen startete meine letzte Arbeitswoche. In den letzten vier Tagen kamen die Kinder schon um 10 Uhr, sodass ich von morgens bis abends Zeit mit ihnen hatte und wir nochmal viel spielen konnten. Zu Weihnachten hatte ich der Gruppe Halli Galli geschenkt und mit ihnen viel gespielt. Nachdem ich allen die Spielweise erklärte, hatte sich das Spiel bald in der Gruppe etabliert und neue Regeln waren eingeführt worden, sodass ich manchmal selbst an die Regeln erinnert werden musste. Halli Galli ist seitdem wohl das Lieblingsspiel der Jungs und der Erzieherin, die übrigens immer alle anderen gnadenlos abzieht, und besonders begeistert sind sie von dem Fakt, dass ich das Spiel in Deutschland gekauft habe und es vielleicht das einzige Halli Galli Exemplar in ganz Jordanien sein könnte.
Zudem spielen wir viel Monopoly, natürlich auch mit Regeln, von denen ich nie gehört habe und Kartenspiele. Das beliebteste ist dabei "Hand". Durch gleiche oder aufeinander folgende Karten können diese abgelegt werden und die Person, die als erstes keine Karten mehr auf der Hand hat, besitzt eine freie "Hand" und gewinnt damit.
Nicht zu vergessen, wenn ich von Spielen rede, ist allerdings Fußball. Auch wenn von der Erzieherin das Spielen in den Räumlichkeiten verboten wurde, spielen wir viel Fußball, meistens mit Schlappen, da diese immer verfügbar sind und schnell angezogen werden können, wenn die Erzieherin in den Raum kommt und man sie dann unschuldig anschauen kann als hätte man nichts gemacht.
Schon vor der Pause wird über das bevorstehende Spiel diskutiert und Teams aufgestellt, nur um sie noch mindestens fünf mal umzuwerfen und neu einzuteilen. Ein neues Highlight ist der Ball, den meine Familie ihnen als Geschenk mitgebracht hat und der nun jede Pause benutzt wird und streng vor den anderen Kindern im Internat beschützt wird. Einmal kam es zu dieser Unterhaltung zwischen einem Jungen aus meiner Gruppe (1) und einem älteren Kind (2):
2: "Können wir euren Ball für die Pause ausleihen?"
1: "Nein, ihr habt doch selber einen."
2: "Der deutsche Ball ist aber besser."
1: "Den Ball dürfen nur Kinder aus unsrer Gruppe benutzten." (An mich gerichtet) "Stimmts Benedikt?"
Mir ist ja eigentlich egal wer diesen Ball benutzt und wenn das ganze Internat ihn benutzten würden hätten mehr Kinder etwas davon, aber Loyalität und Gruppenzugehörigkeit ist sehr wichtig bei den Kindern im Internat, deshalb passe ich mich da an und der Ball ist nun exklusiv für Familie 6.
Nach der Pause, wenn eigentlich direkt mit den Hausaugfgaben angefangen werden soll, werden jedoch unbedingt die Fußballstatistiken auf den neuen Stand gebracht. Notiert wird, wer wieviele Tore geschossen hat, wieviele Vorlagen jeder gegeben hat, wieviele Bälle man erkämpft hat und wie gut von null bis zehn die Gesamtleistung war. Sonst hatte ich immer halbherzig zugeschaut, wie sie ihre Notizen machten und über Punktzahlen diskutierten, bis ich eines Tages auch meinen Namen auf der Statistik fand. Das war eine der schönsten Überraschungen für mich.
Der letzte Tag war sehr schwer für mich, da ich wusste, ich werde die Kinder nicht mehr sehen und ich wusste, dass die wöchentlichen Verabschiedungen vor dem Wochenende nie besonders spektakulär und etwas enttäuschend waren. Da der letzte Tag spontan einen Tag vorgelegt wurde, die Kinder das aber nicht wussten und ich es erst am Tag davor erfahren hatte waren alle ein bisschen verwirrt und nur langsam machte sich die Traurigkeit breit. Mitunter auch, da immer noch nicht alle Kinder verstanden hatten, dass ich nach den Ferien wirklich nicht mehr da sein werde. Diese Traurigkeit wurde gestört von der Erzieherin, die ständig wiederholte, niemand solle traurig sein und nicht weinen, was mir schwer fiel, in Anbetracht daran, dass die Jungs für mich wie Brüder geworden waren und ich sie wenn überhaupt erst in Jahren wiedersehen würde und mit diesem Tag ein großer und unglaublich schöner Abschnitt meines Lebens abgeschlossen werden würde.
Lange Zeit zum Trauern blieb mir allerdings nicht, da wir direkt am nächsten Tag nach Ägypten aufbrachen. Mit dem Bus fuhren wir erstmal durch ganz Jordaniern nach Aqaba um dort über die Grenze nach Israel einzureisen. Nach einer längeren Wartezeit und Befragung an der Grenze stiegen wir direkt in den nächsten Bus, der uns nach nur 20 Minuten an der ägyptischen Grenze rausließ. In Ägypten erwarteten uns, also Edgar, mein Mitbewohner, Teja, eine Freundin, die an der University of Jordan ein Auslandssemester absolviert hat und Paula, eine Freiwillige in Bethlehem und mich eine Taxifahrt durch die ganze Sinaihalbinsel und von Sharm al Schekh eine anstrengende Nacht-Busfahrt nach Kairo, die von dem Geruch von rohem Fleisch aus der Tüte des Manns hinter uns unerträglich wurde. Die Hauptstadt von Ägypten hat uns von den ersten Momenten abgeholt: die schöne Architektur, das leckere Essen, die vielen Museen und die gemütlichen Cafes lassen auch mich auf ein Wiederkommen hoffen. In den nächsten Tagen besuchten wir auch Assuan, Abu Simbel und Luxor auf unserer Reise entlang des Nils, bis ich mich von Teja und Edgar verabschieden musste, da die beiden in den nächsten Tagen schon fliegen würden, aber ich noch zwei Wochen blieb.
Und schon wieder ein Abschied, von zwei neugewonnenen Freunden, die ich beide nicht so schnell vergessen werde. Ein Jahr im Ausland zu leben, heißt sein Zuhause zurückzulassen um ein zweites zu finden, nur um dieses nach einem Jahr dann mit sowohl Trauer und als auch Vorfreude zurückzulassen.
Die nächsten Tage verbrachten Paula und ich in Dahab auf der Sinaihalbinsel, einer kleinen Stadt und verbrachten den Tag mit nichts außer Essen, Schwimmen und Schlafen. Eine schöne Abwechslung nach den vollen letzten Reisetagen.
Ende Juni fuhren wir dann nach Bethlehem, wo ich bei Paula und ihrer Mitfreiwilligen-WG ein paar Tage verbrachte und auch nochmal eine Freundin und ihre Mitfreiwilligen in der Nähe von Haifa für ein paar Tage besuchte. Nach dieser langen Reise war ich dann aber doch auch glücklich, wenn auch allein, endlich in Amman wieder anzukommen und hier meine letzten Tage zu verbringen. Denn auch die Stadt, die Umgebung und den Alltag hier werde ich sehr vermissen und das Leben in Deutschland wird eine große Umstellung für mich werden. Ich habe die Stadt lieben gelernt, ihre vielen Stadtteile: die ruhigen Straßen des Stadtteils Lwebdeh, die vollen Straßen in der Innenstadt und die leeren Gassen und Treppen, in denen man wieder nur sich selbst hört.
Nun sitze ich hier, zwei Tage vor meinem Rückflug, in einem Café in Amman und beende diesen Blogbeitrag mit Blick auf die Häuser und Straßen der Hauptstadt, die ich die letzten Monate so oft gesehen und entlang gelaufen bin und trotz der riesigen Vorfreude auf Heimat und Familie sitzt die Trauer tief, diesen Fleck der Erde zu verlassen.
Ich hoffe bald wieder zu kommen, bis dann: Tschüss Jordanien, Es war mir eine Freude!