Weltweit erlebt
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14 Freiwillige weltweit. Täglich neue Eindrücke und Erlebnisse. Kleine und große Herausforderungen. Erfahrungen für das ganze Leben – all das ist das Ökumenische FreiwilligenProgramm der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS)

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Abschiedsbild mit meiner Familie: Ino, Keano, Echi, Novella, Kaizer Johann, Kimberly, Martha und ich (v.l.n.r.) (Foto: EMS/Heinrich)
Abschiedsbild mit meiner Familie: Ino, Keano, Echi, Novella, Kaizer Johann, Kimberly, Martha und ich (v.l.n.r.) (Foto: EMS/Heinrich)
10. Juli 2018

Auf Wiedersehen (!)

Johann

Johann

Indonesien
hilft bei der Kinder- und Jugendarbeit mit
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Es ist der 10. Juli 2018. Gerade eben ist ein Paket angekommen – der Absender: Toko Indonesia (Indonesien-Laden). Darin befinden sich ein großes Paket indonesische Nudeln, Gewürzmischungen, Tempe, Reis und Knabbereien. Der Online-Händler ist eine gute Möglichkeit, um wenigstens kleine Teile des kulinarischen Indonesiens auch in mein Zuhause zu bringen.

Mein Leben in Deutschland berührt langsam wieder eine deutsche Normalität, ja sogar fast einen deutschen Alltag. Umso schöner ist es durch Essen, viele Erinnerungen und Freundschaften mit Indonesien verbunden zu bleiben. Ich schreibe deshalb „deutsche Normalität“ und „deutschen Alltag“, weil sich ein „normales“ Leben in Deutschland von einem „normalen“ Leben in Indonesien sicher an vielen Punkten unterscheidet. Das „Dschungelkind“ Sabine Kuegler beschreibt diesen Unterschied nach ihrer Rückkehr aus Indonesien nach Deutschland in etwa so: „In Papua habe ich gelebt, in Deutschland muss ich funktionieren.“ (Die Verfilmung von Sabine Kueglers „Dschungelkind“ wurde Ende Juni im Ersten ausgestrahlt. Sabine wuchs in Westpapua – also Ost-Indonesien – auf und kam zum Studieren nach Deutschland). Dieser Satz scheint mir, ohne verallgemeinern zu wollen, eine treffende Zusammenfassung dessen zu sein, was auch ich als Unterschied zwischen Indonesien und Deutschland erlebt habe.

Ich blicke auf ein Jahr zurück, indem ich einen Schatz an Erfahrungen und Begegnungen sammeln konnte, der mich sicher durch mein restliches Leben begleiten wird. Es war ein Jahr voller Vorfreude und Skepsis, voller Herausforderungen, wunderbarer Menschen und ihren Geschichten, von Abschied und Willkommen heißen.

Der Abschied von meinen Einsatzstellen und meinem Umfeld in Makassar begann eigentlich schon im Februar. Nach sechs Monaten Einsatzzeit war der Freiwilligendienst zum 28.2. beendet und auch unser Visum abgelaufen. Da wir unseren Flug nach Kuala Lumpur allerdings einen Tag nach dem Ablaufdatum des Visums gebucht hatten, durfte auch ich mal wieder 300.000 Rupiah Overstay-Gebühren bezahlen.

„Wir“, das sind wir fünf Indonesienfreiwilligen der EMS: Helena, Henriette, Pina, Berit und ich. Helena, die auf Bali eingesetzt war, ist Ende Februar zu einer Freundin nach Nordasien geflogen. Wir anderen haben uns (am Anfang noch gemeinsam mit Pinas Cousine Anja und Zwillingsschwester Sofie) in einen nächsten Schritt des Abenteuers gewagt, der mit einem Flug nach Kuala Lumpur begann.

Mein vorletzter Arbeitstag im Kinderheim „Titipan Kasih“ (etwa zwei Wochen vor der Ausreise nach Malaysia) gestaltete sich etwas anders als geplant. Mein kleines Bastelprojekt mit den Kindern hat super funktioniert, doch am Ende des Tages verspürte ich die Anstrengungen deutlicher als sonst. Mit Grippe-ähnlichen Symptomen lag ich schließlich im Bett, nach einer weiteren Nacht entschieden wir uns zum Arzt zu fahren und ein Blutbild zu machen, um beispielsweise Malaria ausschließen zu können. Zwei verschiedene Ärzte hielten das zwar nicht für nötig, dennoch durfte ich am Samstagabend zum Blutabnehmen ins Labor. Die Ärztin hat danach Feierabend gemacht und die Auswertung ihren Kollegen an der Rezeption überlassen, die mir nach zwei Stunden den Umschlag mit den Ergebnissen überreichten. Den hab‘ ich dann direkt geöffnet und den Bogen wieder zurückgegeben. Die beiden Angestellten schauten sich die Werte an und waren sich schließlich einig, dass wahrscheinlich „Deman Berdarah“ vorliegt und ich direkt ins Krankenhaus fahren sollte. Erst später im Auto habe ich mit Google Übersetzer herausfinden können, dass „Deman Berdarah“ übersetzt „Dengue-Fieber“ heißt.

Die nächsten vier Tage verbrachte ich also in einem indonesischen Krankenhaus – unter ständiger Betreuung von Besuchern und meiner Gastfamilie. Dengue-Fieber ist in Indonesien gut bekannt und mit Infusionen, Vitaminen und Paracetamol konnte mir schnell geholfen werden, sodass ich das Krankenhaus gesund wieder verlassen konnte. Erstaunlicherweise habe ich diesen Krankenhausaufenthalt trotz Ameisen im Bad, einer ständig verrutschenden Gummimatratze und einer nervigen Infusionsnadel im Handrücken (die am Anfang hin und wieder mal rausfiel) nicht besonders negativ in Erinnerung. Die Ärzte und Schwestern waren sehr nett, die vielen Besuche aufmunternd und einen Kühlschrank für gesunde Fruchtsäfte gab es auch. ;)

Nachdem ich diese Krankheit nun überstanden hatte – meine Gastmutter Martha hat sie nachher als ein Geschenk für meinen Erfahrungsschatz bezeichnet – war die Abschiedsphase nur noch relativ kurz, aber herzlich. Zu Hause hat meine Gastfamilie ein großes gemeinsames Überraschungs-Abendessen veranstaltet, ich habe ein Erinnerungs-Shirt und einige weitere Geschenke bekommen. Es war ein großartiger Abend, an den ich noch lange denken sollte. Am nächsten Morgen kurz vor der Abreise zum Flughafen konnte ich auch noch mein kleines Geschenk überreichen – viele kleine Bilder der letzten Monate, zusammengestellt auf einem großen Plakat.
Dann ging es also erstmal los mit dem Flieger in ein neues Land mit völlig neuen Eindrücken und dem freudevollen Wissen, in zwei Wochen wieder nach Indonesien zurückkehren zu dürfen.

Die Zeit in Malaysia haben wir weniger als Freiwilligendienstleistende, sondern mehr – sicher auch aufgrund unseres Umfeldes – als Backpacker*innen unter Backpacker*innen erlebt. Ich fand die Konfrontation mit so vielen Europäern zunächst sehr befremdlich – selbstbewusste junge Menschen, die jeder und jede für sich mit verschiedenen Motivationen eine Reise nach Asien gewagt hatten. Manche waren gerade am Anfang, andere die letzten Tage unterwegs. Einige verbringen die meiste Zeit mit anderen Europäer*innen in Backpacker-Hostels, andere nutzen die Gastfreundschaft der indischen Sikh, übernachten in Tempeln und versuchen mit so wenig Geld wie möglich so viel wie möglich zu erleben. Einige sind perfekt ausgerüstet, andere haben alles verloren und waren zwischenzeitlich auf die Hilfe der Einheimischen angewiesen. Ich habe viele Menschen in Kuala Lumpur kennengelernt, die mir teils bewegende und spannende Geschichten erzählt haben. Aber natürlich haben wir uns auch die Stadt angesehen, genossen die Infrastruktur, kulturelle Angebote und die Altstadt.

Nach zwei Wochen mussten wir uns aber auch von Malaysia wieder verabschieden. Die letzten Tage waren wir noch im Cameron-Hochland und in der beeindruckenden Stadt Melaka unterwegs, bis wir schließlich wieder nach Indonesien flogen, in Makassar landeten und von meiner Gastfamilie erneut begrüßt wurden.

Den nächsten Monat reisten wir durch Sulawesi – eine Zeit, in der wir immer wieder neue Menschen kennenlernten und uns nach meist wenigen Tagen wieder verabschieden mussten. Da war der Filmregisseur aus Sumatra, der mit seinem Team wunderbare Orte Indonesiens mit der Kamera festhält. Der Schiffskapitän, der schonmal in Hamburg war und uns über die Ungerechtigkeit an Bord zwischen europäischen und asiatischen Seeleuten aufklärte. Die junge Hostelbesitzerin in Tentena, die als alleinstehende Frau ein selbstständiges Leben führt und uns immer zur Seite stand. Akbar, der uns kostenfrei durch den Dschungel und auf die berühmte Insel Pulau Papan geführt hat. Der Mitarbeiter der Ferienanlage, der bis in die Nacht mit uns redete und uns dann in einer spontanen Schnorchel-Aktion das beeindruckend leuchtende Plankton gezeigt hat. Die drei gläubigen Christen, die uns am späten Abend auf einem Platz in Manado zum Gebet einluden. Der Airline-Mitarbeiter, der mein Stativ nachträglich aus meinem Handgepäck ins Flugzeug in mein Aufgabegepäck gebracht hat, damit ich es nicht zurücklassen muss. Ich könnte noch viele dieser Personen nennen, die ich innerhalb dieses Monats auf Sulawesi treffen durfte und die mich auf verschiedenste Art und Weise beeindruckt haben. Manchmal waren es nur Minuten, manchmal Stunden oder Tage, die ich mit ihnen verbringen durfte. Und dennoch werden sie mir immer in Erinnerung bleiben.

Nach einem Monat Sulawesi flogen wir also vom Norden wieder zurück in den Süden nach Makassar, wo ich zum vorerst letzten Mal auf meine Familie treffen sollte. Und noch einmal musste ich mich verabschieden – diesmal mit einem leckeren Hähnchen-Grill-Abend, serviert auf Bananenblättern, natürlich mit Reis und Gemüse und einer Flasche deutschem Wein. Es war nicht einfach wegzufliegen, aber so lange man das „Wiedersehen“ in „Auf Wiedersehen!“ wörtlich nimmt, kann man sich ja auch auf ebendieses freuen. Und Kontakt zu halten ist heutzutage via Skype und Videotelefonie schließlich leicht möglich.

Meine letzte indonesische Woche verbrachte ich also auf Bali, bis ich am 6. Mai ins Flugzeug nach Bangkok stieg, drei Stunden am Flughafen der thailändischen Hauptstadt verbrachte und schließlich 11 Flugstunden nach Deutschland vor mir hatte. Die Vorstellung, am nächsten Morgen in Frankfurt zu landen, war noch immer bizarr. Aber dennoch bin ich am 7. Mai kurz nach 6 Uhr morgens wohlbehalten in Frankfurt am Main / Deutschland angekommen und von meiner Schwester Christin herzlich in Empfang genommen worden. Auch zum darauffolgenden Frühstück konnte ich meinen indonesischen Teil in Form von Salak (Schlangenfrucht, ein sehr sehr leckeres Obst) und balinesischem Gebäck beitragen. Auf dem Weg nach Dresden schaute ich mir die ungewohnte deutsche Landschaft an und wurde schließlich von meinen Eltern begrüßt. Auch meine anderen Geschwister und später gute Freunde hießen mich willkommen. Zur Feier des Tages – mein Vater hatte Geburtstag – kochte ich eine Portion IndoMie, indonesische Bratnudeln. Genau die gleichen, die auch heute vom Toko Indonesia bei mir angekommen sind. Und diese werd‘ ich mir auch jetzt gut schmecken lassen. Selamat makan! Guten Appetit!

 

P.S.: Mit diesem letzten offiziellen Blogartikel des Ökumenischen Freiwilligenprogramms möchte ich mich nochmal sehr herzlich bei allen Unterstützer*innen bedanken. Ein großes Dankeschön an alle finanzielle Unterstützung für die EMS, deren Wirken ich in Indonesien wunderbarerweise miterleben durfte. Ein großes Dankeschön an alle, die an mich gedacht haben, für mich gebetet haben, mich angeschrieben haben, sich für mich interessiert haben! Ein großes Dankeschön an meine Familie für die überragende Unterstützung! Ein großes Dankeschön an meine indonesische Gastfamilie um Erasmus und Martha, die mich aufgenommen, mir vieles erklärt und gezeigt haben! Und ein großes Dankeschön an die EMS, deren Wirken und Tun hoffentlich noch lange weitergehen kann und vielen Freiwilligen wichtige Erfahrungen mitbringen kann! Terima kasih!

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Einer von vielen traditionell-balinesischen Tänzen in Ubud. (Foto: EMS/Heinrich)
Einer von vielen traditionell-balinesischen Tänzen in Ubud. (Foto: EMS/Heinrich)
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Mitten im Dschungel auf den Togean Islands haben wir Gam wieder getroffen, der dort Palmzucker produziert. (Foto: EMS/Heinrich)
Mitten im Dschungel auf den Togean Islands haben wir Gam wieder getroffen, der dort Palmzucker produziert. (Foto: EMS/Heinrich)