Weltweit erlebt
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10 Freiwillige weltweit. Täglich neue Eindrücke und Erlebnisse. Kleine und große Herausforderungen. Erfahrungen für das ganze Leben – all das ist das Ökumenische FreiwilligenProgramm der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS)

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Blick von meinem Zimmer in den Innenhof des Hostels (Foto: EMS/Osenberg)
Blick von meinem Zimmer in den Innenhof des Hostels (Foto: EMS/Osenberg)
03. Oktober 2019

Erste Grüße aus Nandyal

Sarah

Sarah

Indien
unterstützt ein Mädchenheim
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„Sister?“ – Auf diese Frage reagiere ich inzwischen besser als auf meinen Namen. So werde ich von den Mädchen in dem Boarding Home, in dem ich die nächsten zehn Monate verbringen werde, genannt. Als ich am 16. September morgens um sieben nach einer 10-stündigen Busfahrt endlich ankomme, werde ich schon sehnsüchtig erwartet. Alle Mädchen wollen mich sehen, wünschen mir einen guten Tag, schenken mir Blumen und zeigen mir mein Zimmer, dass sie extra für meine Ankunft mit Luftballons und selbst gebastelten Girlanden dekoriert haben.

Ich kann selbst noch nicht so ganz glauben, dass ich wirklich da bin. In Indien. In Nandyal. Im Holy Cross Boarding Home for Girls. Dem Ort, wo ich den Großteil meines nächsten Jahres verbringen werde, um dort im Rahmen eines internationalen Freiwilligendienstes zu unterstützen und zu lernen. Der Moment, auf den ich mich so lange vorbereitet habe, ist nun tatsächlich da.

Nach zwei Vorbereitungsseminaren in Deutschland, in denen meine Mitfreiwilligen und ich uns bereits intensiv damit auseinandersetzen durften, was auf uns zukommt, ging es für uns insgesamt sieben Indien-Freiwillige dann am 9.September wirklich los, als wir in Frankfurt in unseren Flieger nach Chennai gestiegen sind. Dort befindet sich der Hauptsitz der Church of South India (kurz CSI), in deren Projekten wir alle in den nächsten Monaten eingesetzt sind. Unsere ersten Tage in Indien bekamen wir alle zusammen ein ausführliches Einführungsseminar in Chennai und Bangalore, wodurch wir die Möglichkeit hatten, uns gemeinsam an so manche Gegebenheiten vor Ort zu gewöhnen. Dazu gehörten unter anderem das Essen mit der (rechten!) Hand oder auch das Duschen mit Eimer und Schöpfer.

Inhaltlich wurden uns dort die verschiedenen Einsatzbereiche der CSI und des zugehörigen Board of Child Care (CSI-BCC) vorgestellt. Ein großer Teil des Seminars war aber auch einfach ganz praktisch, indem wir unter anderem gemeinsam das Government Museum in Chennai besucht haben, mit dem Zug von Chennai nach Bangalore gefahren sind, in Bangalore gemeinsam in die Stadt und Einkaufen gegangen sind und uns mit der dortigen Jugendgruppe der CSI  treffen konnten.

Beeindruckend war für mich, mit wie viel Herzlichkeit und Elan wir überall empfangen wurden und wie viel Mühe sich die jeweiligen Verantwortlichen gemacht haben, damit es uns an nichts fehlt und wir gut vorbereitet in unsere Einsatzstellen fahren können. Wir durften auch mehrfach in den Morgenandachten und Sonntag sogar im Gottesdienst ein Lied vorsingen, bzw. einmal sogar die komplette Lobpreiszeit ausgestalten, was uns sehr viel Spaß gemacht hat.

Spannend wurde es vor allem in den letzten Tagen, als unsere jeweiligen Wardens, also die Verantwortlichen aus unseren Einsatzstellen, gekommen sind, um unsere Projekte vorzustellen und uns abzuholen. „Meine“ Warden Bhagya kannte ich bereits von Bildern meiner Vorfreiwilligen und auch sie hatte schon Bilder von mir gesehen, so dass wir uns gleich erkannt haben und uns jetzt endlich persönlich kennenlernen konnten.

Sonntagabend sind sie und ich dann gemeinsam über Nacht von Bangalore nach Nandyal gefahren, wo ich in den letzten Wochen schon einen kleinen Einblick in das erhalten durfte, was mich die nächsten Monate so erwartet. Das Holy Cross Boarding Home for Girls ist ein Mädcheninternat, vor allem für Mädchen, die sozial schlechter gestellt sind und sonst keine oder kaum Chancen auf eine richtige Schulbildung hätten. Momentan wohnen dort ca. 70 bis 80 Mädchen, von denen die Jüngsten gerade in die erste Klasse gehen und die Ältesten nächstes Jahr ihren College-Abschluss machen werden. Betreut werden die Mädchen von Bhagya und der Assistant Warden Keziah. Da Ende September bereits Ferien anstanden, hatte ich zunächst zwei Wochen Zeit, um mich im Boarding Home einzugewöhnen und mich mit dem Tagesablauf vertraut zu machen.

Der Tag beginnt morgens um 6.30 Uhr, wenn alle Mädchen gemeinsam zur Morgenandacht in die Kirche gehen. Zu der Andacht kommen auch die Jungs aus dem Boys Hostel, das ebenfalls zur CSI in Nandyal gehört. Es wird gesungen, zwei Texte aus der Bibel gelesen und gebetet. Zwischen Andacht und Frühstück ist meistens noch ein wenig Zeit, sich für die Schule fertigzumachen, Wäsche zu waschen, Hausarbeiten zu erledigen, etc. Anschließend ans Frühstück ist dann Study Time, in der die Mädchen ihre Hausaufgaben machen oder lernen, bis es Zeit ist, in die Schule zu gehen (je nach Schule zwischen 8.30 Uhr und 9.45 Uhr).

Tagsüber, während die Mädchen in der Schule sind, ist es sehr ruhig. Bhagya ist dann im Büro, wobei ich ihr sicherlich auch oft zur Hand gehen werde. Die letzten Wochen waren wir vor allem mit der Budgetplanung für das laufende und das nächste Jahr beschäftigt. Gegen halb zwei gibt es dann Mittagessen, wofür zumindest ein paar der Mädchen zurück ins Boarding Home kommen.

Richtig los geht es dann aber erst wieder gegen halb vier, wenn die ersten der Mädchen aus der Schule zurückkommen. Dann ist Zeit zum Spielen und Reden, aber es muss auch immer irgendwelche Hausarbeit gemacht, z.B. der Hof gefegt oder Wasser geholt werden. Um halb sieben ist dann Prayer Time direkt im Boarding Home, wo die Mädchen gemeinsam singen, Bibellesen und beten. Anschließend gibt es Abendessen und dann noch einmal Study Time, bevor es gegen 10 Uhr abends dann ins Bett geht.

Soweit die Theorie. In der Praxis war meine erste Woche in Nandyal vor allem durch heftige Monsunregen geprägt, die in der Stadt für heftige Überflutungen gesorgt haben, weshalb für die Mädchen fast die gesamte Woche die Schule ausgefallen ist. So hatte ich viel Zeit, die Mädchen kennenzulernen, mit ihnen zu reden und zu spielen. Sich so viele Namen auf einmal zu merken ist auf jeden Fall eine ganz schöne Herausforderung, der ich bisher noch nicht so richtig gewachsen bin. Leider kann ich auch noch sehr wenig Telugu (die Landessprache in Andhra Pradesh), die Mädchen dafür aber zum Glück fast alle ein wenig Englisch, so dass zumindest eine Basis-Verständigung möglich ist.

Die ersten Wochen waren außerdem von viel bürokratischem Aufwand geprägt, da ich mich hier noch bei den Behörden registrieren musste, um meine Residency Permit zu erhalten. Auch die Bischöfin durfte ich schon treffen und gemeinsam mit Bhagya war ich schon in der Stadt ein paar Dinge besorgen.

Alles in allem bin ich immer wieder sehr gerührt, mit wie viel Herzlichkeit ich empfangen werde und wie besorgt hier alle um mein Wohlergehen sind. Bhagya, Keziah und Solomon, der Leiter der beiden Hostels in Nandyal (Boys and Girls), kümmern sich wirklich gut um mich und sorgen dafür, dass es mir wirklich an nichts fehlt. Wann immer ich eine Frage habe oder Hilfe bei irgendetwas benötige, ist einer der drei zur Stelle. Auch die Kinder sind alle sehr zuvorkommend und hilfsbereit, wann immer ich etwas brauche.

Die ersten beiden Wochen bis zu den Ferien dienten für mich hauptsächlich zur Eingewöhnung und zum warm werden mit den Aufgaben. Bisher habe ich vor allem bei der Büroarbeit unterstützt, in der Study Time mit den Mädchen etwas Mathe und Englisch gemacht und einfach Zeit mit den Mädchen verbracht, in der wir gespielt und geredet haben. Nach den Ferien geht es dann richtig los und ich bin schon sehr gespannt, wie mein Alltag dann aussehen wird.

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Ein Begüßungsbanner extra für meine Ankunft (Foto: EMS/Osenberg)
Ein Begüßungsbanner extra für meine Ankunft (Foto: EMS/Osenberg)
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Blumen auf dem Central Market in Bangalore (Foto: EMS/Osenberg)
Blumen auf dem Central Market in Bangalore (Foto: EMS/Osenberg)