Weltweit erlebt
14 Freiwillige weltweit. Täglich neue Eindrücke und Erlebnisse. Kleine und große Herausforderungen. Erfahrungen für das ganze Leben – all das ist das Ökumenische FreiwilligenProgramm der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS)
Bye, Bye, bis zum nächsten Mal!
Als ich Anfang Juni nach den Sommerferien zurück ins Hostel kam war es soweit: Mein letzter Monat in Indien. Glauben konnte ich es bis zum Schluss nicht. Zehn Monate hatte ich nun im Holy Cross Boarding Home vebracht. Nandyal und alle Leute, denen ich tagtäglich begegnet bin, sind zu meinem neuen Zuhause geworden. Dinge, die mich am Anfang schockiert haben oder neu für mich waren sind mittlerweile völlig normal für mich, ich habe mich an das indische Leben gewöhnt.
In meinen letzten Wochen in Indien hat das neue Schuljahr begonnen. Nach den 6-wöchigen Sommerferien sind alle Mädchen zurück ins Hostel gekommen. Da manche ihre Ausbildung beendet haben oder zum Beispiel für die Oberstufe auf eine andere Schule, die näher an ihrem Zuhause ist, gehen, sind Plätze für neue Mädchen freigeworden. Von allen Dörfern der Diozöse konnten sich Kinder anmelden und wurden dann alle zu einem Aufnahmetest eingeladen. Hier wurden Allgemeinwissen zu Indien sowie Englisch und Mathe abgefragt. Anhand der Ergebnisse sowie verschiedener Kriterien (Waisen, Halbwaisen, zerbrochene Familien, Großfamilien) durfte ich dann mit den "Wardens" Bhagya und Solomon entscheiden, welche Kinder die gesponserten Plätze bekommen. Dann mussten für die Kindernothilfe die Formulare für jedes Kind ausgefüllt werden, sowie die ersten Briefe für die zukünftigen Pateneltern geschrieben werden. Langweilig wurde es also nicht, zumal auch noch für das Hostel viel gemacht werden musste. So waren wir in der Gärtnerei und haben neue Pflanzen im Hostel gepflanzt, da während des heißen Sommers trotz dauernden Gießens fast alles vertrocknet war. Zusammen mit den beiden Köchinnen, Bhagya, Solomon sowie dem staff des boys hostel war ich außerdem auf einem Workshop, veranstaltet von der CSI-BCC.
Ich habe mich sehr gefreut, alle Mädchen nach der langen Sommerpause wieder zu sehen und alle hatten viel zu erzählen. Da unter den neuen Mädchen auch viele Grundschüler waren, habe ich viel Zeit mit den Neuen verbracht, Spiele gespielt und sie abgelenkt, wenn sie Heimweh bekamen. Natürlich war mein bevorstehender Abschied Thema Nummer 1: „Wann gehst du nach Deutschland?“, „Wie viele Tage sind es noch?“, „Wieso gehst du jetzt schon?“, „Wieso bleibst du nicht für immer hier?“, „Wann kommst du wieder zurück?“. Das waren nur einige der Fragen die tägich auf mich einprasselten gefolgt von mindestens einem Mädchen, dass sich an mich klammert und mich bittet, dass ich für immer im Hostel bleibe. Gerade für die Kleineren war es schwierig zu verstehen, dass ich nur für eine begrenzte Zeit nach Indien gekommen bin und nun wieder nach Deutschland gehe.Dauernd über meine Heimreise zu sprechen war nicht besonders einfach für mich, war ich doch sehr traurig meine zweite Heimat zu verlassen, ohne zu wissen wann und wie lange ich wiederkommen würde. Am liebsten hätte ich in diesen letzten Wochen meinen Flug noch nach hinten geschoben. Soviel musste ich noch erledigen, so oft war ich Bilder für die Mädchen ausdrucken und kaufte Dinge wie Teepulver und Hennafarbe, um es mit nach Deutschland zu nehmen.Ich dachte auch oft an den Beginn meines Freiwilligendienstes zurück wie viel ich mich verändert hatte, was für eine neue Sicht ich auf viele Dinge hatte und wie eng die Beziehung zu vielen Menschen geworden war. Vor allem mit Bhagya und Rapha, die zu meiner indischen Familie geworden sind, habe ich viel Zeit verbracht, während den Ferien bei ihnen im Haus gewohnt und war mit ihnen unterwegs, in Nandyal und auch außerhalb. So haben wir an einem Feiertag einen Ausflug in einen großen Park gemacht.
Zu meiner Freude hatte mein Hostel eine kleine Farewell Function zu meinem Abschied organisiert, zu der neben dem kompletten "Staff" und der Bischöfin auch Freunde wie die Koreanerin Kim mit ihren drei koreanischen Freiwilligen kam. Alle Mädchen waren super aufgeregt, übten Tänze ein und holten ihre schönsten Kleider heraus. Auch ich habe meinen schönsten Weihnachts-Saree angezogen und von zwei Mädchen die Haare geflochten bekommen. Auch wenn die Tage davor sehr stressig waren, konnte ich den Abend meines Abschiedes voll und ganz genießen und war sehr glücklich. Fast alle haben etwas über mich erzählt und auch die Mädchen durften berichten, was sie von mir gelernt oder welche deutschen Wörter ich ihnen beigebracht habe und was sie mit mir erlebt haben. Sehr berührt hat mich, dass manche von den Mädchen angefangen haben zu weinen. Es war sehr schön zu sehen, dass man den ganzen Menschen etwas bedeutet hat und sie genauso empfinden wie ich in Bezug auf den Abschied. Auch ich hatte Tränen in den Augen, wie wahrscheinlich fast jeder an diesem Abend. Endlich hatte ich auch die Gelegenheit mich bei allen Menschen zu bedanken, die soviel für mich getan haben, ihre Zeit für mich geopfert haben und mich mit offenen Armen empfangen haben.
In dieser Nacht lag ich noch lange wach, habe über die letzten zehn Monate nachgedacht und mir zum wiederholten Male gewünscht, dass ich einfach für immer in Indien bleiben kann. Zwei Abende später hatte ich dann noch ein kleines Abschiedsgeschenk für alle Mädchen bestehend aus einem Bild von mir, einem Luftballon und einem Haribo-Päckchen (danke an Mama für das Paket!). Die letzten Stunden im Hostel verbrachte ich dann umringt von großen und kleinen Mädchen, die alle noch ein letztes mal mit mir reden wollten. Dann war es soweit und am 06.07 morgens musste ich das Hostel verlassen. Mit Tränen in den Augen wartete ich mit allen auf das Auto, das mich zum Bahnhof fahren sollte. Zu gerne hätte ich noch alle umarmt, doch dafür war die Zeit nicht genug. Viel zu früh kam das Auto, viel zu früh musste ich Tschüss sagen und viel zu früh kam das "Bye, Sister!" von den Mädchen. Doch es war Zeit. Mit dem Zug fuhr ich dann nach Chennai wo ich dann auf Natalie traf und wir gemeinsam zurück nach Deutschland flogen. Die letzten Stunden in Indien verbrachten wir im Hauptgebäude der CSI, dort wo alles im September 2016 angefangen hatte. Unser letztes indische Essen aßen wir am gleichen Tisch wie damals unser erstes Frühstück nach der Ankunft. Und so schließt sich der Kreis. Auch wenn ich am Ende gern noch viel länger geblieben wäre und Indien sehr vermisse, bin ich doch wieder froh in Deutschland zu sein bei meiner Familie und meinen Freunden.