Weltweit erlebt
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10 Freiwillige weltweit. Täglich neue Eindrücke und Erlebnisse. Kleine und große Herausforderungen. Erfahrungen für das ganze Leben – all das ist das Ökumenische FreiwilligenProgramm der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS)

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Auf dem Weg zum Schrein mit Ältesten und dem Chief Linguist von Adibo (Foto: EMS/Kress)
05. Juni 2017

Der Tag von Adibo

Felix

Felix

Ghana
arbeitet in einem Weiterbildungszentrum mit
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Vergessene deutsche Kolonialgeschichte in Ghana

Kolonialmächte - bei diesem Begriff denkt man häufig zunächst an Großbritannien und Frankreich, die große Teile der Welt bis ins 20. Jahrhundert hinein beherrschten. Doch auch Deutschland war einmal Kolonialmacht, wenn auch nicht lange. Um die Jahrhundertwende hatte das Deutsche Reich Gebiete im heutigen Namibia (Deutsch-Südwestafrika), im heutigen Tansania, Ruanda und Burundi (Deutsch-Ostafrika), in Kamerun, auf Neuguinea, kleinere vereinzelte Besitze und die Kolonie Togo okkupiert.

Auf die deutsche Kolonie Togo möchte ich hier eingehen. Diese bestand aus dem heutigen Togo und dem heutigen Ostteil Ghanas. Gegen Ende des Jahres 1896 stieß ein deutscher Expeditionstrupp geführt vom Kolonialoffizier Valentin von Massow in das Hinterland von Togo vor, die zu Kampfhandlungen gegen die Dagomba und Konkomba führten. Im November nahmen sie bereits Kpandai ein und brannten Bimbillla nieder. Je weiter sie nach Norden vorstießen, desto mehr machte sich auch im Dagombareich das Gerücht des Eintreffens der Weißen breit. Da der Chief vom gefallenen Bimbilla (Bimbilla Naa) seinen Boten noch zu Yaa Naa Andani II, dem damaligen König der Dagomba mit Sitz in Yendi, senden konnte, stellte dieser seine Armee auf. Während also die Truppe unter Führung von Massows weiter Richtung Yendi zog, versammelte sich die Armee der Dagomba bei Adibo, einem kleinen Dorf 15km südlich von Yendi,  um dort den Vormarsch aufzuhalten.

Die Deutschen waren die ersten Europäer, auf die die Dagomba trafen. Am 4. Dezember 1896 kam es zum Adibo Dali (Tag von Adibo) wie es in der mündlichen Überlieferung der Dagomba heißt. Dieser Tag ist so besonders, weil bis dahin geglaubt wurde, die Armee der Dagomba sei eine äußerst schlagkräftige Armee, die bis dato viele andere Völker im Norden Ghanas unterwerfen konnte. Gegen die Karabiner der deutschen Soldaten hatten sie allerdings keine Chance, was schnell zu drastischen Verlusten und einem Rückzug nach Yendi führte. Der deutsche Expeditionstrupp geführt von Valentin von Massow stieß weiter nach Norden vor und brannte Yendi, aus dem alle Bewohner und Yaa Naa Andani II bereits geflohen waren und den dortigen Königspalast nieder. Danach zogen sie weiter nach Nordosten ins heutige Sansanné-Mango, Togo.

Noch heute befindet sich in Adibo ein Massengrab gefallener Dagombakrieger und der Tag von Adibo ist ein Trauertag, an dem der Chief von Yendi (Yaa Naa) den Palast nicht verlässt und keine Audienzen empfängt. Außerdem ist dieses Ereignis bei Festen in vielen Volksliedern, Trommelrhythmen und Tänzen ein Thema. Im Dorf Adibo ist das Massengrab heute ein kleiner Wald, der als Schrein benutzt wird. Bevor ich den holprigen Weg dorthin angetreten bin, war mir etwas mulmig zumute. Werden sie mich gleich wieder davonjagen, wenn ich sage, dass ich Deutscher bin oder werden sie Reparationszahlungen fordern? Wie verhalte mich an einem solchen Ort, was wird von mir erwartet? Schließlich kommen nur sehr sehr selten Fremde dorthin. Diese Fragen schossen mir durch den Kopf…  

Doch ich wurde freundlich von vielen Kindern empfangen, mir die Geschichte im Haus des Chiefs erzählt und umhergeführt. Von Hass oder Rache war keine Spur. Das für das Ritual nötige Perlhuhn und die Kolanüsse hatte ich zum Glück selbst mitgebracht. Das Huhn wird geschlachtet, um das Blutvergießen der Ahnen zu würdigen. Trotz der netten Atmosphäre im Dorf ging mir eine Sache dann doch nicht aus dem Kopf. Sollte ich mich etwa im Namen der Bundesrepublik entschuldigen? Sollte ich wenigstens ein paar nette Worte im Zeichen des Friedens und der Verständigung loswerden? In einem ruhigen Moment rutschte mir dann doch ein “Gafara” raus (Dagbani für “Entschuldige bitte”). Woraufhin mich der Chief bloß entgeistert ansah und sagte auf Dagbani, dass meine Vorfahren dumm waren, so viel Geld zu investieren, obwohl hier doch gar keine Bodenschätze seien.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die deutsche Kolonie Togo dann aufgeteilt: der Westteil der deutschen Kolonie (also der heutige Osten Ghanas) ging in britische Hände und Togo fiel Frankreich zu. 

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Das britische Protektorat der Nordterritorien der Goldküste zum Beginn des 20. Jahrhunderts (Foto: wikipedia-user katharinaiv/https://de.wikipedia.org/wiki/Nordterritorien_der_Goldk%C3%BCste#/media/File:Northern_Territories_before_WKI.svg )
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Vor Betreten des Massengrabes muss zunächst ein Huhn geopfert werden, um an das vergossene Blut der Ahnen zu erinnern, bzw. es entsprechend zu würdigen. (Foto: EMS/Kress)