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Marktbesuch in Accra (Foto: EMS/Kleenlof)
Marktbesuch in Accra (Foto: EMS/Kleenlof)
09. November 2022

Meine ersten Wochen in Ghana

Liv

Liv

Ghana
Grundschule
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Am Dienstag, den 06. September begann meine Reise. Ich wachte in Frankfurt in einem Hostel nahe des Flughafens um 5 Uhr auf. Meine Gefühle und Gedanken waren auf der kurzen S-Bahn-Strecke zum Flughafen ein einziger Wirrwarr. Einerseits fieberte ich auf dieses Erlebnis nun schon seit Monaten hin, andererseits breitete sich schon dort ein tiefes Heimweh in mir aus, eine wehmütige Sehnsucht nach meiner Familie, nach meinem Zuhause.

Sebastian, meinen Mitfreiwilligen, traf ich am Gate und wir verbrachten zuerst einen 55-minütigen Flug nach Brüssel und danach einen neuneinhalb Stunden Flug über Abidjan bis hin zur ghanaischen Hauptstadt Accra miteinander. Gegen Ende trafen wir vier andere Freiwillige des CVJMs - eine andere Weltwärts-Organisation - im Flugzeug, mit denen wir die nächsten 16 Tage in Accra verbringen würden.

Kaputt und müde kamen wir am Kotoko International Airport an und mussten uns durch die Pass- und Impfkontrollen kämpfen, was zwar schnell ging, dennoch sehr chaotisch war. Nachdem wir unsere Koffer und Rucksäcke vom Gepäckband gehievt hatten, wurden wir draußen von einer äußerst schwülen warmen Luft und zwei freundlich winkenden Ghanaern empfangen. Jeweils eine Person stellvertretend für unsere Aufnahmeorganisationen hier vor Ort. Sie drückten uns einen Snack in die Hand, welcher aus einem fettigen Croissant und Orangensaft bestand und dann wurden wir auch schon in zwei Autos verfrachtet und zu unseren Unterkünften transportiert. Der originale Plan war, dass Sebastian und ich zusammen mit den anderen Freiwilligen im YMCA-Hostel, der Aufnahmeorganisation vom CVJM, unterkommen würden, allerdings gab es dann kurzfristig eine Planänderung und wir wurden zu einem anderen Hotel gefahren. Durch unsere verschiedenen Geschlechter mussten wir in unterschiedlichen Zimmern schlafen. Fix und fertig, wie wir waren ging es dann direkt ins Bett.

Die nächsten drei Tage wurden ausschließlich der Bürokratie gewidmet. Unser Visum, mit dem wir einreisen konnten, gilt nämlich nur für 90 Tage, weswegen wir eine Ghana-ID-Karte, ein Work-Permit und ein Residence-Permit betragen mussten. Paul, der Taxifahrer vom YMCA, holte uns morgens ab. Zum frühstücken sind wir zur benachbarten Tankstelle gelaufen, danach ging es zu unterschiedlichen Banken und Migrationsbehörden. Ein YMCA-Mitarbeiter, Francis hat sich unser angenommen, aber auch er wusste nicht immer wohin und welche Dokumente wir benötigen, sodass es drei chaotische Tage wurden, die wir mit viel Warten und Herumfahren verbrachten.

Paul nahm sich der Aufgabe an, uns Accra zu zeigen, sodass wir während des bürokratischen Durcheinanders ein bisschen mit der Stadt vertraut wurden. Als jeder von uns nun seine ID-Karte im Portemonnaie, die neue Sim-Karte im Handy und den Antrag für die beiden Permits ausgefüllt und abgegeben hatte, waren wir am Samstag mit dem weniger aufregendem Teil fertig. Also entschieden wir uns zum Strand zu fahren. Paul fuhr uns durch ganz neue Teile der Stadt auf der Strecke zum Labadi-Beach. Hier holte uns zum ersten Mal richtig die Armut ein, wir sahen dicht aneinandergedrängte Wellblechhütten, wo vorher Häuser aus Stein gestanden haben. Natürlich gab es auch bei uns in der Umgebung solche Hütten zu sehen, Menschen in abgewrackten, schmutzigen Klamotten, welche versuchten Kleinigkeiten an Autos zu verkaufen, die vor den Ampeln warteten. Aber hier schauten wir aus dem Fenster und sahen die Masse der Bevölkerung, die in diesen Bedingungen leben.

Als wir dann in die Einfahrt zum Strand fuhren, war dieser Einblick aber auch wieder vorbei. Wir mussten mit zwei Männern diskutieren, die einen höheren Preis von uns verlangten, als der, der auf der Tafel stand. Da wir sowas nun schon häufiger erlebt hatten, haben wir ihm das nicht durchgehen lassen und haben schlussendlich nur 15 statt 20 Cedi zahlen müssen (entsprach zu dem Zeitpunkt ca. 1,50€). Als Paul das Auto abstellte, wurden wir direkt von 10 Ghanaer*innen umringt, die uns unterschiedliche Sache ins Gesicht gerufen haben. Wir haben Paul überfordert angeschaut und er hat uns zum Jubel einiger und zu Trübsinn anderer in eines der Strandlokale geführt. Wenn man an den Labadi-Beach geht, legt man sich nämlich nicht einfach in den Sand, sondern man wird von eifrigen Mitarbeitern zu einem Tisch mit Schirm und Stühlen im Sand geleitet, um dann schnell die Karte zu holen und Bestellungen aufzunehmen.

Der eigentlich geplant entspannte Tag wurde dann doch stressig, da im 30-Sekunden-Takt verschiedene Ghanaer*innen sich zu uns gesellten, um uns Essen und ghanaische Kunst zu verkaufen, uns Lieder auf der Gitarre vorzuspielen oder uns zu überreden versuchten auf eins der abgemagerten Pferde zu steigen, die sie über den Strand trieben. Trotzdem war es ein tolles Erlebnis die Füße in den Sand zu graben und das Wasser auf der Haut zu spüren. Nur leider schlug mir im Wasser immer wieder Plastikmüll gegen die Beine, was das idyllische Erlebnis etwas vermieste. Sandig, kaputt aber glücklich fuhr uns Paul noch zu einem Restaurant, wo wir uns, so wie fast jeden Abend, wirklich leckeren Jollof holten, um ihn dann im YMCA-Hostel zu essen und dabei versuchten die Schärfe zu ignorieren, die uns die Gaumen verbrannte.

Am Montag begann unser Twi-Sprachkurs, welcher von zwei sehr netten Frauen geführt wurde. Wir lernten Begrüßungen, die Wochentage, Monate, die Zahlen und grundsätzliche Vokabeln, um uns grob zurecht finden zu können. Der Sprachkurs ging Montag bis Freitag von 9:30 bis 12:30. Beendet wurde er mit einer kleinen ghanaischen Spezialität, die ich manchmal wirklich köstlich, manchmal aber zu fettig oder viel zu scharf fand. Ich hatte viel Spaß in diesen zwei Wochen. Die anderen Freiwilligen und ich fuhren noch zweimal zum Strand, gingen in ein Theaterstück, besuchten eine Hochzeit, schauten uns ghanaische Märkte an und feierten drei Geburtstage. Ich lernte viel über die Kultur, die Sprache, das Essen, die Traditionen. Wir sechs Freiwilligen verbrachten ab der zweiten Woche eigentlich jede Minute zusammen, da Sebastian und ich ab Montag auch in dem YMCA-Hostel unterkamen. Dort haben wir das erste Mal unsere Wäsche per Hand gewaschen, uns aus einem Eimer geduscht, Wasserausfall gehabt und sind verschiedenen Kakerlaken begegnet. Der Kulturschock und die gemeinsamen Erfahrungen haben uns sehr zusammen geschweißt und ich bin sehr dankbar, dass wir als Gruppe uns so gut verstanden und Spaß miteinander gehabt haben.

Am 23. September ging es für Sebastian und mich in unsere Einsatzstellen, aber dazu mehr in meinem nächsten Blogeintrag…

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Wir sechs Freiwilligen: Ziona, Rahel, Lara, Hanni, Sebastian und ich (Foto: EMS/Kleenlof)
Wir sechs Freiwilligen: Ziona, Rahel, Lara, Hanni, Sebastian und ich (Foto: EMS/Kleenlof)
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Strandtag am Labadi-Beach (Foto: EMS/Kleenlof)
Strandtag am Labadi-Beach (Foto: EMS/Kleenlof)

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